Ein nasser Hund

Deutschland 2019/2020 Spielfilm

Inhalt

Verfilmung des autobiografischem Romans "Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude" von Arye Sharuz Shalicar. Der junge Soheil, Sohn jüdischer Einwanderer, zieht mit seiner Familie nach Berlin-Wedding. In dem rauen Problembezirk fällt es dem Jugendlichen schwer, Freunde und Anschluss zu finden. Vielmehr spürt er schnell, was es bedeutet, als Jude in einem von zahlreichen Moslems bewohnten Viertel zu leben. Als er wegen seiner Religion mit einer Clique junger Araber in Streit gerät und zusammengeschlagen wird, fasst Soheil einen Entschluss: Er will seinen familiären Hintergrund, seine Herkunft und seinen Glauben geheim halten. Auf diese Weise gelingt es ihm, Mitglied einer arabischen Jugendbande zu werden. Eines Tages verliebt er sich sogar in eine Mitschülerin, deren Familie aus der Türkei stammt. Auch sonst gerät er durch sein Geheimnis immer wieder in moralische Zwiespalte. Aber erst als sein Versteckspiel aufzufliegen droht, merkt Soheil, in welch gefährliche Lage er sich manövriert hat.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Als Soheil mit seinen Eltern von Göttingen nach Berlin zieht, wo diese im Arbeiterbezirk Wedding ein Stoffgeschäft mit Schneiderei eröffnen, beginnt für den jungen iranischstämmigen Juden ein neuer Lebensabschnitt. Wedding, so klärt ihn eine Mitschülerin auf, sei „der Ort, wo du dich von deinen irdischen Fesseln befreien kannst.“ Doch zuvor muss er sich von den Fesseln seiner Herkunft befreien: Bereits beim ersten Bummel durch den Kiez wird er in einem Laden von arabischstämmigen Gleichaltrigen als „dreckiger Jude“ angefeindet, worauf er die Kette mit dem Davidstern, ein Geschenk seiner Großmutter, unterm Hemd versteckt – und später gleich daheim lässt. Besser ist das: Soheil sieht aus wie alle anderen hier, die selbstverständlich davon ausgehen, dass er als Perser Muslim ist. Zunächst erkämpft sich Soheil einen Platz bei den Straßenfußballern, dann in der Szene – als offenbar begabter Sprayer „King Star“. Und wird von der Gang seines schärfsten Konkurrenten Husseyn aufgenommen.

Die sich mit Kleinkriminalität nicht länger aufhalten will, sondern einen Überfall auf das Juweliergeschäft eines Juden plant. Der wäre beinahe schief gegangen, doch Soheil lenkt die Polizisten von der Verfolgung ab, indem er deren Fahrzeug besprüht und sich widerstandslos festnehmen lässt. Künftig ist Husseyn sein bester Kumpel, der ihn sogar in die Moschee mitnimmt. Und dazu bringt, bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit einer rivalisierenden Kreuzberger Gang am Kottbusser Tor ein Messer zu zücken. Andererseits hat er sich in Selma, eine junge Türkin aus der Parallelklasse, verliebt und hilft ihr, Plastikdeckel für den Kauf eines Rollstuhls für Flüchtlinge zu sammeln. Nachdem es auf der Geburtstagsparty einer Freundin von Selma „passiert“ ist, schweben beide im siebten Himmel.

Aber als Soheil sich nach einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Graffiti-Aktion an der Schule als Jude outet, ist nicht nur Selmas Mutter entsetzt, sondern auch die Gang um Fadi. Der stellt Soheil, der sich in der Bibliothek des Jüdischen Gemeindezentrums erstmals mit der Geschichte des Judentums und dem Holocaust auseinandersetzt, eine Falle: beim Revanche-Kampf gegen die verhassten Kreuzberger soll er ans Messer geliefert werden. Doch Husseyn hält zu ihm: „Ich liebe ihn wie einen Bruder. Ich habe den Koran gelesen, es gibt keinen Grund, Juden zu hassen.“ Aber auch er kann nicht verhindern, dass Soheil angeschossen wird. Zum Glück ist Selma mit dem Auto zur Stelle und fährt den Verwundeten, von dem sie ein Kind erwartet, ins Krankenhaus.

Selma will das Kind der Liebe nicht abtreiben, wie ihre Mutter es fordert. Doch auch nicht mit Soheil gehen, der entschlossen ist, nach Israel auszuwandern, um als Jude unter Juden leben zu können. Dort findet er sich freilich als erstes als Soldat in einer Auseinandersetzung mit palästinensischen Steinewerfern wieder. Während Husseyn seine heimliche Liebe Selma heiratet und sicherlich ein guter Ersatzvater für Soheils Kind wird...

„Für die Deutschen war ich ein Kanake, für die Moslems ein Jude, für die Juden ein krimineller Jugendlicher aus dem Wedding“: Die im Oktober 2010 erschienene Autobiographie „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ von Aryw Sharuz Shalicar, die im Titel ein iranisches Hass-Sprichwort zitiert, erzählt die wahre Geschichte einer doppelten Flucht, die damit endet, dass Soheil nun samt Frau und zwei Kindern in Jerusalem lebt stets mit dem Foto seines Erstgeborenen im Arm seiner offenbar glücklichen Berliner Freunde vor Augen. Es ist dennoch ein pessimistischer Film geworden, weil er die ausweglose Wirklichkeit spiegelt – in Europa wie im Nahen Osten.

Der Drehbuchautor und Regisseur Damir Lukačević, Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), ist 1966 in Zagreb geboren und im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Zusammen mit seinem Kameramann Sten Mende hat er diese hochpolitische Liebes- und Coming-of-Age-Geschichte ins Heute transponiert zu einem aktuellen Berlin-Porträt, das den bisher eher unterbelichteten Bezirk Wedding zu einer eigenen Hauptfigur macht. In den Hauptrollen der Jugendlichen Laiendarsteller, die u.a. beim Streetcasting auf sich aufmerksam gemacht haben. Bis auf Doguhan Kabadayi, der sich selbst via Instagram bewarb.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Titel

  • Originaltitel (DE) Ein nasser Hund
  • Arbeitstitel (DE) Nasser Hund
  • Weiterer Titel (DE) Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude

Fassungen

Original

Länge:
102 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Kinostart (DE): 09.09.2021

Auszeichnungen

FBW 2020
  • Prädikat: besonders wertvoll