Der Tote im Nachtzug

Deutschland 2011 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Als der Schlafwagen-Schaffner einem Reisenden den soeben erst bestellten Kaffee ins Abteil bringen will, findet er den Mann blutüberströmt auf dem Bett vor. Und für den Nachtzug aus Warschau ist ein von der Polizei umstelltes Nebengleis des Hauptbahnhofs in Frankfurt am Main außerplanmäßige Endstation. Die Kommissarin Conny Mey, früh morgens übers Handy beim Joggen benachrichtigt, erreicht den Bahnhof zeitgleich mit ihrem Kollegen Frank Steier, nach dessen Ansicht freilich in allzu sportlicher Kleidung. Inzwischen ist der Mann im Schlafwagenabteil seinen Verletzungen erlegen - und ein Verdächtiger beim Eintreffen der Polizei geflohen. Frank Steier, obwohl nach einer Stichverletzung noch krankgeschrieben, ist von seinem Vorgesetzten quasi aus dem Bett der Reha-Klinik geholt worden.

Was ihm einerseits schmeichelt: Der Chef der Mordkommission hält Kollegin Mey allein für überfordert. Was ihn andererseits aber selbst überfordert angesichts andauernder Schmerzen und einem psychischen Gesamtzustand, der nur als labil bezeichnet werden kann. Was allerdings, wie die „Tatort“-Fans noch aus der ersten, ebenso von Lars Kraume geschriebenen und verfilmten Folge des neuen hessischen Ermittler-Duos, „Eine bessere Welt“, wissen, beinahe der Normalität entspricht. Und Meys Freund, den Polizei-Psychologen Daniel Behnken auf den Plan gerufen hat, der nun eine kaum noch marginal zu nennende Rolle spielt.

In „Der Tote im Nachtzug“ sieht alles nach einem Raubmord aus, zumal beim Opfer zwar die Quittung einer Warschauer Bank über die Abhebung von 15.000 Euro vorgefunden wird, nicht aber das Geld. Der erste, schwere Weg der Kommissare führt zur hochschwangeren Gattin des Ermordeten, zu Elsa Lange. Von ihr erfahren sie, dass ihr Ehemann Rüdiger Sanitäter bei der Bundeswehr in Afghanistan war, bevor er vor drei Jahren wegen Medikamentenmissbrauchs entlassen wurde. Was sie verschweigt, Mey und Steier erst mühsam herausbringen müssen: Das Opfer und der flüchtige Hauptverdächtige, Stanislav Kilic, haben sich aus Afghanistan gekannt und vermutlich am Hindukusch gemeinsame Sache gemacht: Penicillin aus Bundeswehr-Beständen im Tausch gegen Rohopium, das über militärische Kanäle nach Europa gebracht worden ist. Beide haben offenbar einem Drogenring angehört. Wollte sich Stanislav rächen? Und was treibt die frischgebackene Witwe um, sich mit „Stani“ heimlich in einem Hotel der Mainmetropole zu treffen? Die sich, soweit der Fortschritt gegenüber dem Vorgänger, in Armin Alkers Bildern als zumindest nächtlich buntschillernde Weltstadt präsentiert. Der Fall bekommt eine neue Wendung, als plötzlich auch Feldjäger großes Interesse an Stanislav zeigen – und sich gegenüber den Polizei-Kollegen sehr zugeknöpft geben...

„Der Tote im Nachtzug“, der zweite „Tatort“-Fall des neuen Kriminalhauptkommissar-Duos des Hessischen Rundfunks, basiert auf einem authentischen Fall aus dem Buch „Auf der Spur des Bösen“ des Kriminalkommissars und „Tatort“-Analytikers Axel Petermann. Die hochspannende Story bietet reichlich Gelegenheit, die persönliche Geschichte des so ungleichen Ermittler-Gespanns um weitere Facetten zu bereichern. „Aber ich brauch' Sie doch!“: Dass sich die toughe Mey und der introvertierte Steier näher kommen, liegt nicht nur am „Sequenzding“, an der in aller Ausführlichkeit geschilderten aufwendigen Rekonstruktion des Tathergangs im notabene engen Schlafwagenabteil: Sie scheint ehrlich bemüht um ihren nicht nur gesundheitlich angeschlagenen Kollegen mit klaustrophobischen Angstzuständen. Selbst als er ihre Geste, ihn bei der Rückkehr an seinen Büro-Schreibtisch mit einem Blumenstrauß zu überraschen, abschätzig mit „Mädchengemüse“ quittiert.

Umgekehrt ist es Steier, der sich um Conny Mey sorgt, als diese bei einer wilden Verfolgungsjagd durch die Katakomben des U- und S-Bahnhofs der Frankfurter Hauptwache mittels Elektroschocker außer Gefecht gesetzt wird. Freilich nur für kurze Zeit, dann kann sich die langbeinige Kommissarin, die gefühlt mehrere Tage lang im kurzen Jogginghöschen unter der Lederjacke mit „Polizei“-Aufdruck unterwegs ist, wieder den Ermittlungen widmen – und ganz speziell einem plötzlich gar nicht mehr zugeknöpften MAD-Ermittler, dem Bundeswehr-Offizier Thomsen. Auf die richtige Spur aber führt einmal mehr der beharrliche Haudegen Steier: Er findet an den Bahngleisen die Tatwaffe...

„Der Tote im Nachtzug“ ist in mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnlicher Krimi, nicht zuletzt weil er Fragen aufwirft, wie weit Staatsbeamte gehen dürfen, um durch Rechtsbeugung Gerechtigkeit zu schaffen, die auf rechtlichem Wege nicht erreicht werden kann. Wenn die „Tatort“-Reihe den Anspruch hat, Fiktion auf der Basis von Realität zu erzeugen, und vor allem deshalb ist sie neben dem „Polizeiruf 110“ auch die erfolgreichste Krimiserie Deutschlands, muss der überraschende und hier natürlich nicht preisgegebene Ausgang in den entsprechenden Gremien diskutiert werden. Und das umso mehr in einer Zeit, wo es nicht nur um „einfache“ Fälle von Selbstjustiz geht, sondern um die Verstrickung von MAD, Verfassungsschutz und anderen staatlichen Organen in terroristische Verbrechen. Bananenrepublik Deutschland.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Kamera

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch

Kamera

Kamera-Assistenz

Standfotos

Maske

Stunt-Koordination

Darsteller

Produzent

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Dreharbeiten

    • 27.04.2011 - 05.06.2011: Frankfurt am Main
Länge:
89 min
Format:
1:1,78
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 20.11.2011, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Der Tote im Nachtzug
  • Reihentitel (DE AT CH) Tatort

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Format:
1:1,78
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 20.11.2011, ARD

Auszeichnungen

FernsehKrimi-Festival, Wiesbaden 2012
  • Deutscher FernsehKrimi-Preis