Der Direktor

DDR 1980 TV-Film

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Als Lehrer warst du nie so pingelig“: Tochter „Rosi“ Rosemarie (Janina Hartwig) macht sich lustig über die frühmorgendliche Hektik und den offenbar aber nicht selbst auferlegten Krawattenzwang ihres Vaters Joachim Faber (Ulrich Thein). Seit der Witwer zum Direktor einer Potsdamer Schule befördert worden ist, kommt er überhaupt nicht mehr zur Ruhe.

Weil er ein empathischer Mensch geblieben ist bei all' den neuen, gerade auch bürokratischen und politisch-ideologischen Herausforderungen. Dabei versucht ihm seine attraktive Sekretärin Scholz (Renate Geißler) so weit wie möglich den Rücken freizuhalten und auf die ungeduldigen Ratsuchenden und offensichtlich dringend Hilfsbedürftigen beruhigend einzuwirken: „Herr Faber macht das schon. Der kann sich einfühlen in die Menschen.“

Was ihm nun zum Verhängnis werden könnte. Nicht pädagogisch und schon gar nicht menschlich, aber politisch. Schließlich ist Margot Honecker, die verknöcherte „First Lady“ des Arbeiter- und Bauernstaates, die seit frühen Blauhemd-Zeiten daheim die Hosen anhat, oberste Bildungsinstanz. Und da kann der Genosse Schulrat (Wolfgang Greese) schon 'mal laut werden, was sonst eher nicht seine Sache ist.

Naturgemäß will die Schulbehörde Erfolgsmeldungen lesen in den Berichten von Direktor Joachim Faber. Aber der ist nicht bereit, wie seine Kollegen andernorts alle Probleme unter den Teppich zu kehren, um Rekordzahlen am Fließband zu produzieren, die wiederum Prämien nach sich ziehen. Fürs Schulkollektiv, für Lehrer, für Schüler-Arbeitsgemeinschaften, aber natürlich auch für Partnerbrigaden. Man ist gewohnt, im gegenseitigen Interesse an einem Strang zu ziehen.

Vieles gilt es als Direktor zu bedenken. Wie den Unterrichtsausfall zu kompensieren oder gar Ersatz zu finden für eine unkündbare junge Mutter im Lehrerkollegium, die ein ärztliches Attest nach dem anderen einreicht, um bei ihrem kranken Kind bleiben zu können? Wie den Beschwerden der Lehrerin Funke (Regina Beyer) begegnen, die sich einmal mehr über die Nachlässigkeiten des Kollegen Hans Tromlitz (stets gut gelaunter Hallodri: Horst Drinda) beschwert, und zwar mit Recht?

Noch schwieriger wird’s, wenn die – offenbar seit gemeinsamen Studienzeiten befreundete – Schulinspektorin bessere Noten anmahnt im Wettbewerb der Schulen untereinander: „Zensurenschaukelei findet bei mir nicht statt“ bleibt Faber hart – und muss sich entsprechend beim Schulrat rechtfertigen. Verständlich, dass der Herr Direktor schon morgens an der Ampel nervös aufs Gaspedal seines Wartburgs tritt – und wie ein Rohrspatz schimpft, als beim grünen Ampelmännchen der Trabi vor ihm im wahren Wortsinn nicht in die Gänge kommt.

Genauer gesagt: die junge Fahrerin. Offenbar eine Anfängerin, die es versäumt hat, das große „A“ an die Heckscheibe zu pflastern zur Warnung der nachfolgenden Verkehrsteilnehmer. Faber gibt sehr männliche, sprich: blöde Ratschläge, die die junge Frau am Steuer nur mit Kopfschütteln quittiert. Aber wer sich in der Folgezeit rein zufällig gleich mehrfach über den Weg läuft, kommt sich zwangsläufig näher – wie Faber und Bettina Bräuer (Barbara Dittus). Was Frau Scholz auf Dauer nicht verborgen bleibt, Tochter Rosi aber super findet: Fünf Jahre nach Irenes Tod wäre ihr eine neue Frau an Papas Seite nur recht, auch zur eigenen Entlastung.

Doch den Herrn Direktor plagen gerade ganz andere Sorgen. Die Klasse 10a seines Freundes Hans Tromlitz hat beim natürlich rein freiwilligen Produktions-Arbeitseinsatz nach der Schule die harten „PA“-Bedingungen auf dem Bau kritisiert: die Schüler werden ohne Anleitung des „Volksbau“-Brigadiers Lehmann (Bruno Carstens) – und selbstredend ohne Bezahlung - wie Hilfsarbeiter eingesetzt. Prompt hat sich die Patenbrigade höherenorts über die „Arbeitsverweigerung“ der Schüler beschwert. Um die Wogen zu glätten und die Erfolgsprämien allseits nicht zu gefährden, schlagen Faber und Tromlitz vor, dass die Schüler der Brigade einen Brief schreiben. Der fällt allerdings allzu ehrlich aus – und gar nicht im parteikonformen Sinn sozialistischer Aufbaumoral: die Schüler kritisieren u.a. die Bummelei der Arbeiter und deren Alkoholkonsum während der Arbeit.

Was naturgemäß einschlägt wie eine Bombe. Der Schulrat ist auf hundertachtzig: die „ideologische Erziehung“ stimme an Fabers Schule nicht. Kluges, d.h. angepasstes Verhalten ist freilich die Sache von Faber und Tromlitz nicht, die insgeheim den Schülern Recht geben. Faber wird nahegelegt, sich an einem Lehrerbildungsinstitut zu bewerben. Dann wird der kritische Brief der Schüler in der Betriebszeitung veröffentlicht, was so ohne weiteres nicht möglich ist: das Blatt wendet sich. Die Brigade und die Schüler kommen wieder zusammen – wie auch Faber und Bettina Bräuer am Fuße des wunderschönen Schlosses Sanssouci...

Die erstmals am 26. Dezember 1980 im Fernsehen der DDR ausgestrahlte Komödie „Der Direktor“ hat es in sich: Helmut Krätzigs Defa-Film (PL Hans-Erich Busch), den Kameramann Rolf Sohre konventionell mit einigem Potsdamer Lokalkolorit bebildert hat, spricht zahlreiche Probleme im Bildungswesen der DDR in einer schon verblüffenden Offenheit an zehn Jahre vor dem Ende des Experimentes, ein neues sozialistisches Menschengeschlecht zu erziehen. Darin verwoben eine Beziehungsgeschichte, die auch nicht ohne ist: Weil Bettina als Mutter eines gehörlosen achtjährigen Jungen zahlreiche negative Erfahrungen gemacht hat, scheut sie einen engeren Kontakt zu Männern. Was auch kein gutes Licht auf die solidarische sozialistische Gesellschaft wirft.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.12.1980, DDR-TV

Titel

  • Originaltitel (DD) Der Direktor

Fassungen

Original

Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.12.1980, DDR-TV