Altbaugebiet Berlin-Mitte: f) Auguststraße

DDR 1979 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
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Die Kameraleute Roland Worel, der die 1970 ins Leben gerufene Staatl. Filmdokumentation der DDR nach rund dreihundert Dokumentationen 1986 auflöste, und Dieter Schönberg werfen einen ungeschönten Blick in die Auguststraße: zahllose nackte Brandmauern und drei Jahrzehnte nach der Bombardierung der „Reichshauptstadt“ immer noch nicht bebaute Trümmergrundstücke sorgen für eine triste Momentaufnahme der einst höchst lebendigen Spandauer Vorstadt. Die nach starkem Zuzug ostjüdischer Menschen während der Weimarer Republik in dieses klassische Arbeiterviertel der prekären Wohnsituation wegen auch Scheunenviertel genannt wurde.

Zahlreiche Altbauten, zu denen auch „Clärchens Ballhaus“, für das auf einer unrestaurierten Hauswand geworben wird, und die Jüdische Mädchenschule gehören, haben den Krieg überstanden. Detailliert werden ausgesprochen bürgerliche Fassaden der wenigen restaurierten Gebäude gezeigt. Aus einigen Fenstern blicken kissenbewehrte Bewohner auf die Filmcrew herunter, Bilder, wie man sie auch aus dem Ruhrgebiet kennt. Verkehrsgeräusche und Kirchenglocken unterlegen als O-Töne die Bilder, Gespräche von Passanten sind nur als seichtes Hintergrundgeräusch vernehmbar.

Vor dem Konsum-Lebensmittelladen befragt die unter „Redaktion“ firmierende Regisseurin Veronika Otten zumeist ältere Kunden nach ihren Kaufgewohnheiten, nach ihren Wohn- und Lebensverhältnissen. Die überaus günstigen Mieten bewegen sich zwischen 30 und 50 DDR-Mark, dafür gibt es häufig noch Außentoiletten und den staatlichen Stellen fehlt es an Mitteln für dringend notwendige Reparaturen. Weshalb einige Mieter auf eigene Kosten Renovierungsarbeiten durchführen. Die Befragten fühlen sich hier jedoch trotz verstopfter Toiletten, mangelhafter Stromleitungen und Teergestank einer nahegelegenen Fabrik durchweg „wie zu Hause“.

Ausführlich kommt der Flaschengroßhändler Meyer zu Wort. Sein unweit an der Gipsstraße angesiedeltes Unternehmen kann bald das 60-jährige Bestehen feiern – als republikweit einziger noch in Familienbesitz befindlicher Betrieb. Der freilich in der gesamten DDR mit dem staatlichen Altstoffhandel eng zusammenarbeitet und für dringend benötigte Deviseneinnahmen sorgt durch Abnehmer etwa in Westdeutschland und in Frankreich. Er beklagt fehlende Ersatzteile für seine Lastkraftwagen, macht sonst aber einen ausgesprochen zufriedenen Eindruck.

Ein Betrunkener umkurvt eine Baustelle auf der Straße. Gut erhaltene Fassaden kommen ins Bild. Emailleschilder weisen auf die Nutzung durch den Verband Christlicher Hospize, durch das Lutherische Kirchenamt und das Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes hin. Am Ende der Kurz-Dokumentation, die 2021 mit Mitteln des Bundesarchivs restauriert worden ist, stehen erneut bröckelnde Fassaden mit Einschusslöchern vom Straßenkampf 1945, eine geschlossene Bäckerei und die sich in die Häuserzeile nahtlos einfügende Fassade der evangelischen St.-Johannes-Evangelist-Kirche.

Veronika Otten hat seit den 1970er Jahren rund sechzig Dokumentarfilme über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, aber auch zu architektonischen und städtebaulichen Themen für die beim Staatl. Filmarchiv der DDR angesiedelte Staatliche Filmdokumentation gedreht. Sie waren aktuell nicht für eine öffentliche Vorführung vorgesehen, sondern sollten später, nach der Vollendung des Sozialismus im Kommunismus, als Anschauungsmaterial für nachfolgende Generationen dienen.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
240 m, 22 min
Format:
16mm
Bild/Ton:
s/w, Ton

Titel

  • Originaltitel (DD) Altbaugebiet Berlin-Mitte: f) Auguststraße
  • Reihentitel (DD) Berlin-Totale III. Lebens- und Wohnverhältnisse

Fassungen

Original

Länge:
240 m, 22 min
Format:
16mm
Bild/Ton:
s/w, Ton