Paule Pauländer

BR Deutschland 1975/1976 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
In einem 120-Seelen-Dorf im Norddeutschen, gedreht wurde im Spätsommer 1975 im weit vor den Gorleben-Protesten verschlafenen ostniedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg, bewirtschaften die Pauländers einen eigenen Hof. Im Familienbesitz seit rund dreihundert Jahren. Als der älteste Sohn und traditionell Erbe des Hofes, Heinrich, überraschend Schützenkönig wird, stellt sich heraus, dass der auf Schweinezucht spezialisierte Betrieb überschuldet ist: Sein Vater bleibt die Schützenfest-Zeche schuldig.

Woraufhin Heinrich das Dorf verlässt und in die Stadt zieht. Jetzt muss sein kleiner Bruder, der 15-jährige Paule noch mehr unter seinem tyrannischen Vater leiden, zumal seine Mutter nicht auf den Gedanken käme, dem gewalttätigen Hausherrn zu widersprechen. Der weigert sich, die Zeichen der Zeit anzuerkennen und seinen vergleichsweise kleinen Betrieb auf Lohnmast umzustellen. Nur so könnte er seine Schulden von mittlerweile 78.000 Mark tilgen, wäre andererseits aber kein selbständiger Bauer mehr, sondern ein konzernabhängiger Arbeitnehmer auf dem eigenen Hof.

In dieser schier aussichtslosen Lage lernt er das 17-jährige Heimkind Elfi kennen, die vom Tankstellenbesitzer des Ortes als billige Arbeitskraft ausgenutzt werden kann, weil es sich bei gemeinwirtschaftlicher Tätigkeit bewähren muss. Das hübsche Mädchen aus der Großstadt und der sensible, maulfaule Bauernjunge kommen sich überraschend näher. Was ihn dazu veranlasst, über sein bisheriges Leben nachzudenken. Nach einem missglückten Diebstahlsversuch zieht Elfi auf den Pauländer-Hof, wo nun auch sie zum Ziel der väterlichen Schikanen wird.

Als für den Bauern Rettung in Sicht ist durch einen freilich erzwungenen Liefervertrag für gut 200 Mastschweine, wird diese durch den Ausbruch der Schweinepest zunichte gemacht. Auch Paule erlebt seine Vernichtung: Elfi will zurück in die Großstadt. Weshalb er sie auf den Rummel einlädt, um sie dort umzustimmen. Das dafür notwendige Kirmesgeld erkämpft sich Paule im wahren Wortsinn in der Boxbude gegen einen sich „Tiger von Berlin“ nennenden Hünen mit allerletzter Willenskraft unter Elfis nimmermüden Anfeuerungen. 200 Mark sind ein stolzer Lohn für diverse blaue Flecke, der eigentliche Knockout folgt allerdings wenig später: Elfi steigt in den Straßenkreuzer eines Luden, der ihr einen Job in einer Modeboutique versprochen hat.

Paule versäuft die Kohle mit seinem Kumpel Charly (Tilo Prückner). Als er auf den Hof zurückkehrt, hört er Schüsse aus dem Schweinestall. Sein Vater ist dabei, alle Tiere zu töten – und stürzt sich aus lauter Verzweiflung erneut auf Paule. Der hat nun wirklich nichts mehr zu verlieren – und schlägt zurück…

Die Tragödie „Paule Pauländer“ hat einen realistischen Hintergrund: Seit Jahren beklagt der Bauernverband die Überschuldung zu kleiner Voll-Bauernhöfe, die sich in die Abhängigkeit von Industrieunternehmen begeben, welche den Landwirten einen Full-Service offerieren ohne ihnen das Risiko abzunehmen. Burkhard Driest jedoch, siehe das 1974er Gefängnisdrama „Die Verrohung des Franz Blum“, aber auch seine Rolle des Kowalski in „Endstation Sehnsucht“ an Peter Zadeks Bochumer Schauspielhaus, achtet zu sehr auf sein eigenes Image, um nicht die – körperliche – Gewalt in den Mittelpunkt zu stellen. In diesem Fall auch die gegen Tiere, obwohl die beiden die Dreharbeiten begleitenden Tierärzte Dr. Lüth aus Lüchow und Dr. Vogelgesang aus dem benachbarten Bergen an der Dumme nach Vorwürfen von Tierschützern versicherten, dass es in keiner Szene zu Tierquälerei gekommen ist.

Burkhard Driest, der 1965 als Student drei Wochen vor dem Jura-Examen in Burgdorf bei Hannover eine Bank überfallen und 7000 Mark erbeutet hat, musste für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Bei seinen Mithäftlingen in der Strafanstalt Celle sammelte er das Material zu seinen Romanen und Drehbüchern. Der Autor im ARD-Pressedienst zur Vorgeschichte seines Drehbuchs: „Im Knast saß ich einige Zeit mit einem Jungen vom Land zusammen. Er beschrieb die Landschaft seiner Heimat, die Armut der Leute, ihre Härte und die Härte ihrer Arbeit mit poetischer Kraft.“ Driest hat den 15-Jährigen nach der Haft daheim besucht: „Ich hab‘ mir alles noch einmal angehört und mit dem verglichen, was noch ist und was heute anders ist.“

Die Hauptrollen sind mit Laiendarstellern besetzt, wobei Manfred Gnoth auch im realen Leben der Stiefvater von Manfred Reiss gewesen ist und Letzterer sich, sicherlich auch durch die Filmerfahrung, nach Beendigung der Dreharbeiten vom wendländischen Hof, auf dem auch er nur als Hilfsarbeiter hat schuften müssen, verabschiedet hat. Reinhard Hauff im Interview (in: „Die Welt“ vom 6. April 1976): „Meine Methode ist es, Laien genauso wie Profis zu inszenieren, mit Schnitten, Großaufnahmen, weitgehend festgelegten Dialogen, Wiederholungen usw. Allerdings haben wir alles im Originalton aufgenommen. Laien zu synchronisieren wäre absurd. Ihre ungeschulte Sprache gehört genauso zu ihnen wie ihr Gesicht.“

Nach der inoffiziellen Uraufführung bei „Film ’76“ in Duisburg und der Erstausstrahlung am 6. April 1976 in der ARD ist der Film mehrfach auf Festivals gezeigt worden – von New York 1978 bis München 2017.

Pitt Herrmann

Credits

Director

Screenplay

Director of photography

Editing

Cast

Production company

All Credits

Shoot

    • 18.08.1975 - 21.09.1975: Landkreis Lüchow-Dannenberg
Duration:
88 min
Format:
16mm, 1:1,33
Video/Audio:
Eastmancolor, Mono
Screening:

TV-Erstsendung (DE): 06.04.1976, ARD;
Kinostart (DE): 1977

Titles

  • Originaltitel (DE) Paule Pauländer

Versions

Original

Duration:
88 min
Format:
16mm, 1:1,33
Video/Audio:
Eastmancolor, Mono
Screening:

TV-Erstsendung (DE): 06.04.1976, ARD;
Kinostart (DE): 1977