Stasi FC

Deutschland Großbritannien 2022/2023 Dokumentarfilm

Inhalt

Der Dokumentarfilm beleuchtet, wie die Stasi in den 1970er Jahren versuchte, den Fußball in der DDR zu kontrollieren, der als letzter Raum freier Meinungsäußerung galt. Nicht nur die Zugehörigkeit zu einem Verein konnte ein politisches Statement sein, die Stadien boten auch die seltene Möglichkeit, Unmut über das Regime zu äußern. Die Stasi versuchte deshalb Einfluss zu nehmen und sicherte den Erfolg ihres bevorzugten Vereins BFC Dynamo durch Bestechung, Einschüchterung, Überwachung, erzwungene Transfers bis hin zum Mord. Der Film basiert auf Zeitzeugenberichten und der Auswertung von Stasi-Akten, die einen einzigartigen Einblick in das Leben unter dem kommunistischen Regime geben.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Als im Dezember 1978, nach einem hitzigen Meisterschafts-Spiel in Dresden zwischen den beiden „Polizeisportvereinen“ Dynamo Dresden und dem Berliner FC Dynamo, Stasi-Chef Erich Mielke in die Umkleidekabine der Dresdner kommt, da gratuliert er ihnen nicht etwa zum Sieg, sondern sagt: „Jetzt ist Berlin an der Reihe. Ihr hattet euren Erfolg, aber jetzt ist der BFC dran.“

So erzählt es der kanadische Historiker Alan McDougall zu Beginn der Dokumentation „Stasi F.C.“ und ergänzt: Erich Mielke sei der eigentliche mächtigste Mann im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat, weil er bezogen auf die Einwohnerzahl der DDR über die größte Geheimpolizei der Welt verfüge. Dieser habe mit raffinierten Manipulationsmitteln und fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen dafür gesorgt, dass sein Lieblingsclub zwischen 1979 und 1988 insgesamt zehn Oberliga-Meisterschaften in Serie nach Hohenschönhausen holte.

Der Berliner Stürmer Falko Götz spricht von einer behüteten Kindheit in der DDR, aber auch von Manipulationen: „Die Bevorteilung der Schiedsrichter für den BFC Dynamo war natürlich ein Thema, weil es war in einigen Aktionen auch peinlich, wo man gesagt hat, also ganz ehrlich: Haben wir das wirklich nötig?“ Auch der Berliner Verteidiger Dirk Schlegel bestätigt Schiedsrichter-Fehlentscheidungen zugunsten des BFC und schildert beider Flucht über die bundesdeutsche Botschaft in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad. Bernd Heynemann, ehemaliger Schiedsrichter in der DDR-Oberliga und der westdeutschen Bundesliga, räumt zwar Fehlentscheidungen anderer Schiedsrichter zu Gunsten des BFC ein, erklärt aber, dass er selbst nie einen entsprechenden Auftrag erhalten habe.

Über eine „tolle Kindheit“ schwärmt der auf dem Land im Süden Brandenburgs aufgewachsene Dresdener Mittelstürmer Ralf Minge, der seine beachtliche Karriere als mehrfacher Oberliga-Schützenkönig nach 222 Einsätzen in zwölf Jahren beendete und als Trainer u.a. bei Bayer Leverkusen arbeitete. Er kritisiert im Nachhinein, dass der Fußball als bei weitem populärste Sportart in der DDR staatlich nicht gefördert wurde, da sie bei Olympischen Spielen als nicht medaillenträchtig angesehen wurde.

„Wir haben in dem Moment gewusst, dass wir keine Chance mehr haben. Das wir keinen Meister mehr holen“: Für den auch in der DDR-Nationalmannschaft sehr erfolgreichen Dresdener Mittelfeldspieler Gerd Weber, der bei Erich Mielkes Kabinen-Ansprache dabei war, bedeutete Fußball nach einer schwierigen Kindheit die Erfüllung aller Träume. Für die er Mitte der 1970er Jahre auch inoffizieller Mitarbeiter der Stasi wurde, freilich nach der Flucht Lutz Eigendorfs in den Westen 1979 selbst unter Verdacht geriet und nach einem aufgedeckten Abwerbeversuch des 1. FC Köln zusammen mit zwei Teamkameraden inhaftiert wurde.

Mit Rolf Walter und Sven Friedrich kommen zwei ehemalige BFC-Fans zu Wort, die als erklärte Hooligans die Anonymität der Fanbereiche nutzten, um dem autoritären Überwachungsregime wenigstens für die Dauer eines Fußballspiels zu entkommen oder gar bewusst im Stasi-Stadion dagegen zu protestieren. Fans des Stasi-Clubs im Widerstand gegen den Unrechtsstaat – eine etwas andere Dialektik. Welche der ehemalige Stasi-Offizier Harald Wittstock mit der offen zutage getretenen Respektlosigkeit der BFC-Fans gegen staatliche Organe bestätigt. Er gibt einen so erhellenden wie erschreckenden Einblick in das System der Sicherheitsbehörden zur Überwachung der Fußballfans gerade auch bei Auswärtsspielen.

Roland Jahn, ein Bürgerrechtler, der offen seine Meinung über das DDR-System äußerte und nach der Wende zehn Jahre Leiter des Stasi-Unterlagen-Archivs war, schildert den Fall des BFC-Stars Lutz Eigendorf, „dem“ Vorzeige-Mittelfeldakteur Mielkes. Nach 100 Oberliga-Einsätzen nutzte er ein BFC-Gastspiel beim 1. FC Kaiserslautern zur Flucht. Woraufhin seine in Ost-Berlin verbliebene Familie so drangsaliert wurde, dass sich Gattin Gabriele scheiden ließ und erneut heiratete – wie man inzwischen weiß einen Romeo-Agenten der Stasi. Lutz Eigendorf verstarb 1983 nach einem Autounfall, für den die Stasi gesorgt haben soll, was jedoch nicht bewiesen werden konnte.

„Stasi F.C.“ zeichnet ein kritisches Bild der Verhältnisse im ostdeutschen Fußball und damit auch des Staates DDR, der (Leistungs-) Sportler als „Diplomaten im Trainingsanzug“ (Roland Jahn) forderte und förderte. Die deutsche Erstaufführung fand am 25. März 2025 im Odeon Köln statt.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Titel

  • Arbeitstitel (DE) Fußball hinter dem Eisernen Vorhang
  • Originaltitel (DE) Stasi FC
  • Weiterer Titel (eng) Soccer behind the Iron Curtain

Fassungen

Original

Länge:
95 min
Format:
DCP, 1:1,78
Bild/Ton:
Farbe, 5.1
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 22.10.2024, 262349, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Veröffentlichung (GB): 26.11.2023, Sky UK;
Kinostart (DE): 27.03.2025