Nordrand

Österreich Deutschland Schweiz 1998/1999 Spielfilm

Inhalt

Wien, Mitte der 1990er Jahre. Die junge Serbin Tamara arbeitet als Krankenschwester. Glücklich ist sie in ihrem "Traumberuf" nicht. Obwohl sie einen festen Freund hat, fühlt sie sich einsam und verloren. Die leichtlebige Jasmin arbeitet in einem Kaffeehaus.

Nach einem Streit mit ihrem gewalttätigen Vater läuft sie von zu Hause fort – und landet schließlich im Krankenhaus bei ihrer ehemaligen Schulkameradin Tamara. Langsam entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den gegensätzlichen jungen Frauen. Schließlich verliebt Jasmin sich in den bosnischen Flüchtling Senad und zieht zu ihm ins überfüllte Flüchtlingsheim. Tamara wird unterdes von dem charmanten rumänischen Lebenskünstler Valentin umgarnt. Aber von Dauer sind auch diese Beziehungen nicht. Trotzdem geben Tamara und Jasmin nicht auf.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Fremde in einer fremden Stadt. „Nordrand“ spielt im 21. Bezirk jenseits aller Wien-Klischees, in einem Gebiet mit grauen Wohnsiedlungen an der nördlichen Peripherie der Hauptstadt. Berlin-Marzahn an der Donau sozusagen, wenn auch mit herrlichem Blick auf den Kahlenberg und die Wipfel des Wienerwaldes.

Von dem haben die Protagonisten freilich wenig, denn sie leben nicht nur unter tristen Umständen, sie haben auch eine furchtbare Vergangenheit hinter sich und wenig Aussicht auf eine bessere Zukunft. „Nordrand“ spielt Mitte der 1990er Jahre zu einem Zeitpunkt, da nur ein Katzensprung weiter südlich ein grausamer Krieg tobt – zwischen Serben, Kroaten und Bosniern im ehemaligen Jugoslawien. Insofern liegt die österreichische Hauptstadt auch am Nordrand eines Krieges.

Und hier in Wien treffen die „Feinde“ aufeinander: geflüchtete Moslems aus Bosnien, alteingesessene Serben und Kroaten sowie solche, die vor den Kriegswirren geflohen sind. Die pflichtbewusste Krankenschwester Tamara und Jasmin treffen sich in einer Abtreibungsklinik. Sie haben einst dieselbe Schule besucht, nun erkennen sie sich erst auf den zweiten Blick wieder.

Tamaras Eltern sind noch vor Ausbruch der Kampfhandlungen nach Sarajevo zurückgekehrt. Für sie, die gerade ihren Bruder im Krieg verloren hat, bedeutet der operative Eingriff einen schmerzvollen Abschied in doppeltem Sinn: Vom Freund, der (noch) kein Vater sein will, und vom großen Traum des kleinen familiären Glücks.

Die fesche Jasmin ist von anderer Natur: leichtlebig lässt sie sich mit Männern ein und denkt sich wenig dabei. Für sie ist die Abtreibung ein so normaler Akt wie der häufige Griff in die Tüte mit Süßigkeiten. Freilich: Erst durch die wiedergewonnene Freundschaft mit Tamara kann sie den deprimierenden Verhältnissen ihres Elternhauses entkommen.

Und die österreichischen „Gastgeber“? Ein verluderter Haufen von besoffenen Möchtegern-Chauvis, denen die „Ausländer“ völlig egal sind. Freundschaften sind mit diesen Leuten nicht möglich. So findet Tamara auf der Suche nach einem alten Bekannten auf einer Balkan-Fete einen jungen Rumänen, Valentin, der sich mit kleineren Gaunereien durchschlägt und das Ziel verfolgt, in die USA auszuwandern.

Die Arbeiten am Drehbuch von Barbara Alberts Spielfilmdebüt „Nordrand“ begannen gegen Ende des Kriegs in Bosnien 1995: Tausende Balkan-Flüchtlinge suchten Asyl in der österreichischen Hauptstadt, was in der Donaumetropole, wie die Regisseurin im eigenen Freundeskreis erfuhr, zu Spannungen zwischen den nach nationaler Eigenständigkeit strebenden Ethnien im einstigen Vielvölkerstaat Jugoslawien führte.

Der 29-jährigen Regisseurin ist mit „Nordrand“ eine realistische Sozialstudie gelungen, die den Ist-Zustand ganz nüchtern beschreibt und dabei den moralischen Zeigefinger in der Tasche lässt. Besonders im zweiten Teil des Films, der zunächst nur schwer in die Gänge kommt, gelingt Barbara Albert großartiges Gefühlskino auch ohne happy end. Sie lässt ihren Figuren alle Optionen offen – und das ist freilich auch schon ein kleines happy end für sich.

Nach der Uraufführung wurde Nina Proll in Venedig als beste Nachwuchsdarstellerin mit dem Marcello-Mastroianni-Preis ausgezeichnet. Nach der Österreich-Premiere am 21. Oktober 1999 auf der Viennale gabs den Wiener Filmpreis und den Fipresci-Preis der Filmjournalisten, im gleichen Jahr auf dem Stockholmer Festival die Auszeichnung „Bestes Regiedebüt“. Und beim Wettbewerb um den Max Ophüls Preis 2000 in Saarbrücken erhielt Barbara Albert den Fritz-Raff-Drehbuchpreis und den Förderpreis sowie Kamerafrau Christine A. Maier den Femina-Preis. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 10. September 2001 auf Arte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 26.10.1998 - 30.04.1999: Wien und Umgebung
    • 26.10.1998 - 30.04.1999: Wien und Umgebung

Prädikat

    • : Wertvoll
Länge:
2998 m, 109 min
Format:
35mm, 1:1.85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 22.08.2000, 85610, ab 16 Jahren / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (IT): 02.09.1999, Venedig, IFF - Wettbewerb;
Deutsche Erstaufführung (DE): 28.10.1999, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 31.08.2000

Titel

  • Originaltitel (DE AT CH) Nordrand
  • Aufführungstitel (TR) Kuzey varoslari

Fassungen

Original

Länge:
2998 m, 109 min
Format:
35mm, 1:1.85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 22.08.2000, 85610, ab 16 Jahren / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (IT): 02.09.1999, Venedig, IFF - Wettbewerb;
Deutsche Erstaufführung (DE): 28.10.1999, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 31.08.2000

Prüffassung

Länge:
3004 m, 110 min
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 22.02.2001, 85610, ab 12 Jahren / feiertagsfrei

Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 26.07.2002, ZDF

Auszeichnungen

Jury der Evangelischen Filmarbeit 2000
  • , Film des Monats September
Marcello-Mastroianni-Preis 1999
  • Beste Nachwuchsdarstellerin