Die Geschichte vom goldenen Taler

DDR 1984 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Leichter Schneefall in düsterer Industrielandschaft. Während sich draußen übermütige Bäckerlehrlinge aus Spaß prügeln, trägt Anna Barbara Brötchen aus, welche sie in Säcken an Wohnungstüren auch in oberen Stockwerken hängt. Als sie einem jungen Schornsteinfeger (Heiko Donath) begegnet, hat er den Abdruck ihrer mehlweißen Hand und sie dessen rußgeschwärzten Finger auf dem Rücken.

Anna Barbara versorgt ihre alte, bettlägerige Großmutter in deren von einem Kanonenofen beheizten Kammer: „Ja, Kind, wenn wir bloß den goldenen Taler hätten, da wäre alles gleich in Ordnung. Aber wir haben ihn nicht, und bringen tut uns auch keiner den goldenen Taler, so müssen wir es eben tragen, wie es ist.“ Einziger Lichtblick für Anna Barbara ist ein Blick aus dem Fenster, wenn zu bestimmter Zeit ein Zug vorüberfährt: dann winkt der fröhliche junge Lokführer (Andreas Brückner) zur ihr herüber.

Als die Großmutter stirbt, wird das verarmte Waisenmädchen auch noch obdachlos, weil eine von Boss (Uwe Böhm) angeführte Jugendbande (Jörg Kretschmann/Andrea Kunkel/Marco Seeler/Sven Bierhals/Matthias Müller) sie kurzerhand vor die Tür setzt. Mit dem Sarg auf dem Bollerwagen begibt sich Anna Barbara auf die Suche nach dem goldenen Taler eingedenk der Worte der Großmutter: „Ja, Kind, wenn wir ihn so einfach kriegen könnten, so hätten wir ihn schon! Ich bin all mein Lebtage nach ihm gelaufen und habe ihn nicht einmal zu sehen gekriegt, und deiner Mutter ist es auch nicht anders ergangen. Möglich, dass es mit dir anders ist, denn du bist in einer Weihnacht geboren und ein Glückskind.“

Als sie auf einen seltsamen, schlecht gekleideten und spindeldürren Mann trifft, der ein Lumpensammler sein muss, lädt er doch selbst den kaputten Strohhut der Großmutter auf den vom klapprigen Schimmel Unverzagt gezogenen Wagen, geht Anna Barbara angesichts der Kälte und des Schneetreibens auf das Angebot des sich Hans Geiz nennenden Alten ein: Wenn sie sich ihm für drei Jahre als Magd verpflichtet, soll sie mit dem „goldenen Kickerling“ belohnt werden.

Während Unverzagt draußen bleiben muss, führt Geiz sie in sein wundersames unterirdisches Reich, in dem Glühwürmchen für die Beleuchtung sorgen und allerhand ausgestopfte Tiere zu neuem Leben erweckt werden können. Der Feueratem der beiden Neid und Gier genannten Höllenhunde setzt den Kanonenofen in Brand und ein Grammophon spielt ständig dessen Lieblingsschlager „Ja, das alles auf Ehr‘“ aus der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss (Sohn).

Es ist eine surreale Welt, in der Anna Barbara eintaucht. Denn Hans Geiz, nomen est omen, der sich nur von längst hart und schimmelig gewordenen Resten ernährt, hortet in diversen Höhlen wahre Schätze an Kupfer Silber und Gold. „Knochen-Robert“ wird der steinreiche Geizkragen genannt vom winzigen Putzmännchen, das Anna Barbara bei der Reinigung der Münzen durch die Zubereitung des Putzwassers helfen soll. Währenddessen blickt der Lockführer vergeblich zum Fenster, hinter dem einst die Großmutter lebte.

Als ein Jahr vorüber ist und die Kupferlinge wieder glänzen, darf das Mädchen mit dem Alten in die Stadt zurückkehren, um im Auftrag des angeblichen Lumpensammlers der Kinderbande die wenigen Habseligkeiten der Großmutter wegzunehmen. Doch sie hat Mitleid mit dem erkrankten Boss, lässt ihm die Decke – und kann endlich wieder dem jungen Lokführer zulächeln und winken. Danach aber beginnt die einjährige Fron im Silberkeller. Die etwas gemildert wird durch die von Hans Geiz eifersüchtig beobachtete Freundschaft mit dem Putzmännchen, das eigentlich Martin Lang heiß.

Nach getaner Arbeit lässt Hans Geiz, um sich vor Anna Barbara hervorzutun, die Puppen tanzen im Palasthotel zum Erstaunen nicht nur des Portiers und des Geschäftsführers. Selbst vornehmste Damen der sichtlich gelangweilten dekadenten Gesellschaft lassen sich vom im Licht blitzenden goldenen Kickerling blenden. Nach einer rauschenden walzerseligen Ballnacht geht’s zurück in die Höhle zum Putzen der Goldmünzen.

Anna Barbara hat ihrem Leidensgenossen und Freund von der üppigen Tafel des Palasthotels einen Schokoladen-Weihnachtsmann mitgebracht, was Hans Geiz sofort in Rage versetzt. Denn er weiß: Wenn Liebe ins Spiel kommt, wird das Putzmännchen erlöst. So geschieht es: Bald steht mit Dirk Lang ein strahlender junger Mann an Anna Barbaras Seite, die schon länger erkannt hat: „Wer mit Gefühlen spart, der bleibt bis zuletzt bettelarm“. Als es Frühling wird, ziehen die beiden jungen Leute zusammen mit dem Schimmel Unverzagt in die Stadt – und der Lokführer winkt fröhlich am Bahnübergang…

Hans Falladas märchenhafte Erzählung „Geschichte vom goldenen Taler“ erschien 1938 in der Sammlung „Geschichten aus der Murkelei“, die der Autor mit bürgerlichem Namen Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen zunächst seinen drei Kindern erzählt hat, welche ihn auch auf die Idee brachten, sie in einem Sammelband herauszubringen. Für sein erstes Werk für Kinder hat er sich der Reaktionen des eigenen Nachwuchses versichert besonders im Hinblick auf kindgerechte Sprache.

Die beiden Szenaristen haben sich für die Defa-Verfilmung (PL Heinz Herrmann) im Auftrag des Fernsehens der DDR eng an die Vorlage Hans Falladas gehalten. Jedoch die beiden Ausflüge Anna Barbaras mit Hans Geiz in die Stadt hinzuerfunden und die metaphorische Geschichte der Suche nach dem wahren Glück ins graue Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre verlegt zwischen bitterer Armut in der Weltwirtschaftskrise und geradezu trunkener Vergnügungssucht beim Tanz auf dem Vulkan der dekadenten höheren Gesellschaft.

Pitt Herrmann

Credits

Schnitt

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Dreharbeiten

    • DEFA-Studio für Spielfilme, Babelsberg, Potsdam
Länge:
83 min
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Aufführung:

Uraufführung (DD): 09.02.1985, DFF 1;
TV-Erstsendung (DE): 09.12.1990, RTL Plus

Titel

  • Originaltitel (DD) Die Geschichte vom goldenen Taler

Fassungen

Original

Länge:
83 min
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Aufführung:

Uraufführung (DD): 09.02.1985, DFF 1;
TV-Erstsendung (DE): 09.12.1990, RTL Plus