Inhalt
Die 15-jährige Leo ist in Deutschland ohne Vater aufgewachsen. Als sie von seiner Identität erfährt, macht sie sich sofort auf die Suche nach ihm. Sie findet Paolo in einer verrammelten Strandbar an der winterlichen Küste Norditaliens. Ihn überwältigt und überfordert das Wiedersehen. Nach Leos plötzlichem Auftauchen hat er Mühe, seine Balance zwischen ihr und seiner neuen Familie zu finden. Zunächst will Leo nur Antworten, doch schon bald sehnt sie sich nach einem Platz in Paolos Leben. Da sie weder Geld noch einen Plan hat, bleibt sie erst mal in dem kleinen Ort. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto mehr Gemeinsamkeiten entdecken Leo und Paolo. Doch die Realität holt die beiden unweigerlich ein. Als Paolo sich wieder vermehrt seiner jüngeren Tochter zuwendet, reagiert Leo verletzt und wütend. Ein Streit bringt den Schmerz auf beiden Seiten ans Licht, ihre zarte Verbindung scheint zerstört. Mitten im Gefühlschaos beginnen Vater und Tochter, ihre jeweiligen Wahrheiten anzuerkennen, und machen einen kleinen, aber bedeutsamen Schritt in Richtung Akzeptanz.
Quelle: 75. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Die Saison ist längst vorbei und die Strandbar verrammelt, sodass die rasch ernüchterte Leo sich zu einer recht heruntergekommenen Lagerhalle durchfragen muss, die ihrem Vater als Werkstatt und, zumindest während des Sommers, auch als Schlafplatz dient. An der Pinnwand hängen Fotos von seiner neuen, offenbar glücklichen Familie, auf denen auch ihre kleine Halbschwester Emilia abgebildet ist. So einen fürsorglichen Vater, wie er hier auf den Bildern erscheint, hat Leo ein Leben lang vermisst.
Als Paolo auftaucht, ist er nicht nur bass erstaunt, wie aus heiterem Himmel einer fast erwachsenen Tochter gegenüberzustehen, sondern auch hilflos. Zumal sich das Babyphon meldet, da die kleine Tochter nebenan im Camper aufgewacht ist und lautstark nach Mama verlangt. Leo erbettelt sich erst einmal ein Nachtquartier in der Halle und hofft, in den Tagen danach mit ihrem Vater länger ins Gespräch zu kommen.
Der junge Pizzaausfahrer Edoardo, der ihr die Werkstatt gezeigt hat, nimmt Leo auf dem Motorrad in den nächsten Ort mit, wo sie eine aufblasbare pinke Flamingo-Badefigur für die kleine Emilia erwirbt. Die dann tatsächlich zum Eisbrecher zwischen Tochter und Vater wird, der erklärt, warum die Verbindung eines noch sehr grünen 20-Jährigen mit ihrer um ein Jahr jüngeren Mutter im „Summer of Love“ keinen Bestand haben konnte. Leo hat einige weitere Fotos aus ihrer Kindheit mitgebracht, die eine gewisse Nähe nach sich ziehen. Und sein Geständnis, dass er, wenn er sich denn damals auf die Vaterschaft gefreut hätte, seine Tochter Mathilde genannt hätte – „gute Kriegerin“.
Aber als Emilias Mutter Valeria auftaucht, verleugnet Paolo ihr gegenüber seine Tochter: An eine von Leo so sehnlich gewünschte Familienzusammenführung ist nicht zu denken, sodass sie bitter enttäuscht reißaus nimmt und in einem Baufahrzeug übernachtet, wo sie Edoardo am anderen Morgen findet. Als Emilia, die sich sehr gut mit Leo verstanden hat, die Spannungen bemerkt, läuft sie weg – und wird von ihrer Halbschwester wieder eingefangen. Was Leo völlig unverdienter Weise eine schallende Ohrfeige ihres Vaters einbringt mit der Folge, dass sie dem ebenfalls Vater-geschädigten Edoardo die befreiende Schreitherapie beibringt.
Leo hat sich freilich nichts gefallen lassen und stets verbal zurückgeschlagen, hat ihren zaudernden, ja ängstlichen Vater wie einen Versager aussehen lassen. Am Ende ist nicht nur der pinke Ballon platt, sondern auch ein echter Flamingo, den der emotional völlig überforderte Paolo überfahren hat. Immerhin gibt’s eine versöhnliche Begräbniszeremonie mit Musik aus dem Autoradio…
„Paternal Leave – Drei Tage Meer“ ist eine besonders feinfühlige Coming-of-Age-Tragikomödie. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die Autorin und Regisseurin Alissa Jung als praktizierende Kinderärztin mit dem Thema vertraut ist – und die Vaterrolle ihres Langfilm-Debüts mit dem eigenen Gatten Luca Marinelli besetzt hat. Apropos Debüt: Die junge Berlinerin Julia Grabenhenrich überzeugt in ihrer ersten Rolle mit Verletzlichkeit einerseits und klarer Haltung andererseits.
Pitt Herrmann