Slatan Dudow
Slatan Theodor Dudow, geboren am 30. Januar 1903 in Caribrod (heute: Dimitrovgrad), Bulgarien, ging 1922 nach Berlin, um ein Architekturstudium aufzunehmen, besuchte dann jedoch ab 1923 die Schauspielschule von Emanuel Reicher, 1925 begann er als Werkstudent ein Studium der Theaterwissenschaften bei Max Herrmann.
Praktische Erfahrungen sammelte Dudow als Hospitant bei Fritz Langs "Metropolis" (1926) und bei Theaterinszenierungen von Leopold Jessner und Jürgen Fehling; zudem war er 1927/28 Chormitglied an Erwin Piscators neu gegründetem Theater "Piscator-Bühne". Während einer Studienreise nach Moskau lernte Dudow 1929 den russischen Regisseur Sergei Eisenstein kennen. Durch diesen machte er die Bekanntschaft Bertolt Brechts, zu dessen Arbeitskreis er bald gehörte. Nachdem Dudow schon ab 1926 im proletarischen Agitationstheater aktiv war, inszenierte er 1929 für das "Theater der Arbeiter" das Stück "Heer ohne Helden" und 1930 in Co-Regie mit Brecht dessen Stück "Die Maßnahme".
1929/30 arbeitete Dudow als Regieassistent von Victor Blum, der für die kommunistische Produktionsfirma Weltfilm Dokumentarfilme drehte, bei den Dokumentarfilmen "Sprengt die Ketten" und "Rot Sport marschiert". 1930 inszenierte Dudow für Weltfilm sein erstes eigenes Werk, den Kurz-Dokumentarfilm "Zeitprobleme. Wie der Arbeiter wohnt", bei dem er das Leben armer und reicher Bürger einander gegenüberstellte.
Nach einer Idee von Dudow und mit Brecht und Ernst Ottwald als Drehbuchautoren inszenierte Dudow das sozialkritische Arbeiterdrama "Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt" (1932). Auf Grund seiner offen kommunistischen Haltung wurde der Film von der Zensur zweimal verboten. Erst nach scharfen Protesten der Kritiker konnte "Kuhle Wampe" mit Schnittauflagen im Mai 1932 in Berlin uraufgeführt werden. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 ließen die Nazis den Film allerdings umgehend wieder verbieten, ebenso wie Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin". Noch geschützt durch seinen ausländischen Pass begann Dudow mit der Arbeit an der halbstündigen Kleinbürgersatire "Seifenblasen" (1934). Doch als die Reichsfilmkammer die Aufnahmen sichten wollte, ließ Dudow das Material illegal über die Grenze nach Frankreich bringen und ging ins Exil nach Paris. Dort schloss er die Arbeit an "Seifenblasen" ab und brachte den Film in einer französischen Fassung (Dialoge: Jacques Prévert) heraus.
Im französischen Exil gelang es Dudow nicht, Filme als Regisseur zu realisieren; Angebote, als Assistent zu arbeiten, wies er zurück. Er betätigte sich in Paris am Theater und führte im Oktober 1937 mit emigrierten Schauspielern Brechts Stück "Die Gewehre der Frau Carrar" auf. 1939 inszenierte er in Paris unter dem Titel "99 %" acht Szenen aus Brechts "Furcht und Elend des Dritten Reiches". Daneben verfasste er das Theaterstück "Der Feigling". Nach der Ausweisung aus Frankreich erhielt Dudow mit seiner Familie in der Schweiz Asyl. Er schrieb Bühnenkomödien, in denen er – wie bereits in "Der Feigling" – auf bitterböse Weise das Bürgertum ins Visier nahm: "Der leichtgläubige Thomas", "Das Narrenparadies" und "Der Weltuntergang". Die Stücke wurden nach dem Krieg unter dem Pseudonym Stefan Brodwin veröffentlicht.
Im Oktober 1946 kehrte Dudow nach Berlin zurück. Er begann für die DEFA zu arbeiten, konnte nach mehreren gescheiterten Projekten aber erst 1949 seinen ersten Nachkriegsfilm realisieren: "Unser täglich Brot" kontrastiert den Zerfall einer bürgerlichen Familie mit der Aufbruchstimmung zu Gründung einer neuen Gesellschaft. In der im gleichen Jahr gegründeten DDR wurde der thematisch äußerst passende Film mit dem Nationalpreis ausgezeichnet. Gemeinsam mit Kurt Maetzig und Richard Groschopp inszenierte Dudow, das stark agitatorisch gefärbte Drama "Familie Benthin" (1950), über die Ost-West-Konfrontation. Dudows erfolgreichster DEFA-Film war "Frauenschicksale" (1952), über vier Frauen aus Ost und West, die von einem schmierigen West-Berliner Frauenhelden ausgenutzt werden. Beim Internationalen Filmfest von Karlovy Vary wurde Dudow als Bester Regisseur ausgezeichnet. Ebenfalls sehr positive Kritiken sowie den Preis als Bester Film beim Internationalen Filmfestival von Locarno erhielt "Stärker als die Nacht" (1954), über das Schicksal eines Widerstandskämpfers in der NS-Zeit.
Nach Wolfgang Staudtes Übersiedlung in den Westen im Jahr 1955 avancierte Dudow zur ersten künstlerischen Autorität der DEFA. In der sozialkritischen Komödie "Der Hauptmann von Köln" erzählt er von einem arbeitslosen Kellner, der im Nachkriegsdeutschland mit einem Wehrmachts-Hauptmann verwechselt wird – und glänzende Karriere macht. Dudows Jugendkomödie "Verwirrung der Liebe" (1959) war ein großer Publikumserfolg, in "Christine" (1963) befasste er sich erneut mit zeitgenössischen Frauenschicksalen, doch der Film blieb unvollendet: Noch während der Dreharbeiten kam Dudow am 12. Juli 1963 bei einem Autounfall nahe Berlin ums Leben. Im Oktober 1974 wurde eine Rohschnitt-Fassung des gedrehten Materials einmalig im Archiv-Kino "Camera" aufgeführt.