Sommerwege

DDR 1960 Spielfilm

Inhalt

Die DDR, im Spätsommer 1958. Der Parteisekretär Ernst Wollni erhält den Auftrag, von Berlin in sein Heimatdorf Schwarzwalde zu reisen, um dort am Aufbau einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) mitzuwirken. Nach seiner Ankunft trifft Wollni auch seinen Jugendfreund Fritz Grimmberger wieder. Der aber will sich an der geplanten Kollektivierung nicht beteiligen und versucht, Wollnis Vorhaben zu untergraben. Die Freundschaft der beiden Männer droht an diesem Konflikt zu zerbrechen. Schließlich gelingt es Wollni, die anderen Dorfbewohner von den Vorteilen einer Produktionsgenossenschaft zu überzeugen. Fritz jedoch beharrt auf seinem Alleingang – und ruiniert sich dadurch. Erst als es fast zu spät ist, lenkt er ein. Auch die Freundschaft der beiden Männer wird gerettet: während eines traditionellen Dorffests kommt es am Ende zur Versöhnung.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die DDR, im Spätsommer 1958. Der Parteisekretär eines Berliner Stahlwerks, Ernst Wollni, erhält den Auftrag, von Berlin in sein Heimatdorf Schwarzwalde zu reisen, um dort am Aufbau einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) mitzuwirken. Nach seiner Ankunft auf der einen gut vierzigminütigen Fußmarsch entfernten Bahnstation wird Wollni verspätet, aber immerhin von seinen Jugendfreund Fritz Grimmberger mit der Pferdekutsche abgeholt. Dem er sein Leben zu verdanken hat: Zwischen den Schützengräben im Niemandsland liegend hat ihn Fritz, immer nur liebevoll „Alter“ genannt, in Sicherheit gezogen. Und beide sind auch gemeinsam zur Roten Armee übergelaufen, als sich eine Gelegenheit bot.

„Am Ende kommst Du noch als Polack zurück“ ätzt seine Sekretärin (Gudrun Waligara). Doch Wollni bekundet, gern zu seinen Wurzeln zurückzukehren, obwohl ihm bewusst es, wie schwierig dieser „Front“-Einsatz ist. Denn ausgerechnet Fritz Grimmberger will sich partout nicht der Genossenschaft anschließen und sich schon gar nicht an der geplanten Kollektivierung des erst nach dem Neuanfang des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden privatisierten, an frühere Knechte wie ihn verteilten Junkerlandes beteiligen: „Ein Mädchen lässt sich zwingen, ein Bauer nicht.“ Wollni steigt dennoch bei Fritz, dessen Gattin Emma (Elfriede Florin) und flügge gewordener Tochter Helga ab, lässt sich mit Wurst, Bier und Schnaps verwöhnen.

Wollni, der Kommunist, und Grimmberger, der einstige Knecht und heutige einzige Meisterbauer des Ortes mit herausragendem Ernteerfolg, lassen sich so schnell nicht auseinanderbringen: „Wir haben immer an einem Strang gezogen, ich hoffe, es bleibt so“ gibt sich der Funktionär optimistisch. Zumal er einen weiteren Grund für die Bockigkeit seines Freundes entdeckt: der LPG-Vorsitzende und Parteigenosse Schindel („Jedem das Seine“) hat seinen Traktoristen Anton (Dieter Perlwitz) angewiesen, den Fuhrpark der Maschinen-Traktor-Station nur mehr der Genossenschaft zur Verfügung zu stellen. Ein klarer Rechtsbruch: die nach sowjetischem Vorbild gegründeten MTS-Kreisbetriebe waren volkseigen, d.h. staatlich, und standen daher allen Bauern zur Verfügung.

„Auf den Misthaufen mit der Reaktion“: Schindels Hass auf alles, was kein SED-Parteiabzeichen trägt, geht so weit, dass er Schafe vor der Kirche traktiert, damit ihr Blöken die Predigt des Pfarrers (Hans-Joachim Büttner) stört. Und dass er Grimmbergers Spende an „den großen Betteltopf“ LPG buchstäblich auf den Misthaufen wirft. Dabei hatte ein genossenschaftlicher Milchbauer (Günter Rüger) dringend benötigte neue Milchkannen kurz zuvor vergeblich beim Buchhalter Semmel (Willi Gade) angemahnt – in Anwesenheit des Meisterbauern. Was der LPG-Vorsitzende nicht ahnt: „sein“ Genosse Anton und Grimmbergers Helga sind seit längerem ein Paar, auch wenn Letztere heimlich die Absicht hegt, in der Kreisstadt ihre Schulbildung zu ergänzen.

Helgas Vater will, dass seine Tochter einen Hofbauern heiratet, am liebsten den Kulak Geiser (Hans Emons), der schon seit langem ein Auge auf sie geworfen hat. Mit diesem entschiedenen Gegner der Kollektivierung macht Grimmberger ein folgenschweres schlechtes Geschäft: Von dem für Helga Ersparten kauft er sich eine trächtige Stute, mit der er nicht nur eine eigene Pferdezucht aufbauen, sondern sich langfristig auch unabhängig von der MTS machen will. Das geht gründlich daneben: bei der Geburt des Fohlens stirbt die viel zu schwache und offenbar kranke Stute und auch das Neugeborene überlebt kaum einen Tag. Für den selbstbewussten Meisterbauer kommt es noch dicker: nach einer schlagkräftigen Auseinandersetzung mit seiner Tochter packt diese daheim ihre Sachen, zumal Schindel ihr die frohe Botschaft überbracht hat, sie könne in der Stadt ihre Schulausbildung fortsetzen. Auch Wollni, der Zeuge der schallenden Ohrfeige war und Helga in der Stadt beherbergen will, zieht beim „Alten“ aus.

Er nimmt eine ungleich bescheidene Bleibe beim Genossenschaftsbauern Kleinmann (Peter Sturm) und dessen Gattin Amalie (Doris Thalmer). Längst kann sich auch Wollni ein Leben an der Seite einer Frau vorstellen: Lydia Kramer (Helga Göring), Genossenschaftsbäuerin in der Tierproduktion, die nach Feierabend beim Wirt Kugler (Adolf Peter Hoffmann) bedient – und sich so manche ganz unsozialistische Macho-Anmache gefallen lassen muss. Schindels Ausgrenzungs-Politik ist Wollni ebenso ein Dorn im Auge wie die Selbstzufriedenheit des LPG-Vorsitzenden: zum Anbau von Kartoffeln, Getreide und Rüben sowie der Geflügelhaltung müssten eine Gänse- und Entenmast, eine Rinder- und Schweinezucht sowie für die Senioren eine Seidenraupen- und Bienenzucht hinzukommen. Zusammen mit dem begnadeten Modellbauer Kleinmann lässt er auch seine Zukunftspläne eines Sportplatzes, einer Badeanstalt, eines Kindergartens und neuer Wohnungen mit Waschanstalt optisch umsetzen. Selbst Fritz Grimmberger zeigt sich beeindruckt.

Als die Frau des LPG-Vorsitzenden, Berta Schindel, ihr viertes Kind zur Welt bringt, bringt Emma Grimmberger ihr die nährende Wochenbett-Hühnersuppe. Auch Lydia Kramer schaut täglich vorbei: der Zusammenhalt der Genossenschaft macht vieles im Alltag erträglicher. Was letztlich auch Fritz Grimmberger einsehen muss. Beim traditionellen Dorffest kommt es am Ende zu einer – noch sehr leisen – Versöhnung der beiden Freunde…

Nach der Fertigstellung dieser zwischen August 1959 und März 1960 gedrehten, sehr selbstkritischen sozialistischen Dorfgeschichte fand die Abnahmekommission „gravierende künstlerische Schwächen, die sein gesellschaftliches Anliegen (…) die Rolle der Partei bei der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft, die Hilfe der Arbeiterklasse für die werktätigen Bauern“ beschädigten. „Sommerwege“ gäbe „keine Antwort auf die heutigen Fragen.“ Das Regiedebüt des Schauspielers und Drehbuchautors Hans Lucke wurde nicht zur Aufführung freigegeben, das Material im Staatlichen Filmarchiv der DDR eingelagert und nach der Wende 2014 von der Defa-Stiftung unter Mitwirkung des langjährigen Vorstands Ralf Schenks rekonstruiert und digitalisiert. Grundlage war der komplett vorliegende Mischton, an den die im Negativ vorhandenen Einzeleinstellungen angepasst wurden. Die Uraufführung wurde bewusst auf den Unesco-Welttag des audiovisuellen Erbes gelegt.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
85 min
Bild/Ton:
s/w
Aufführung:

Uraufführung (DE): 27.10.2014, Berlin, Zeughauskino

Titel

  • Originaltitel (DD) Sommerwege

Fassungen

Original

Länge:
85 min
Bild/Ton:
s/w
Aufführung:

Uraufführung (DE): 27.10.2014, Berlin, Zeughauskino