Sabine Kleist, 7 Jahre

DDR 1981/1982 Spielfilm

Inhalt

Die kleine Sabine lebt nach dem Unfalltod ihrer Eltern im Heim. Langsam lebt sie sich ein. In ihrer Erzieherin Edith sieht sie fast eine zweite Mutter. Als Edith wegen ihrer Schwangerschaft den Beruf aufgibt, bricht für Sabine eine Welt zusammen. Sie läuft aus dem Heim davon, irrt zwei Tage und Nächte durch Berlin auf der Suche nach Menschen, denen sie sich mit ihrem Kummer anvertrauen kann. Es gibt flüchtige Begegnungen in einem Zirkus, auf einem Ausflugsdampfer mit einem alten Mann, mit einem polnischen Jungen, der seine Eltern sucht. Irgendwann erkennt Sabine, dass alle diese Menschen ihr zwar gut sind, aber nicht auf Dauer für sie sorgen können. Sie geht zurück ins Heim, das doch ihr Zuhause geworden ist.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Fotografien eines Autounfalls, in Schwarzweiß und in rascher Folge. Schnitt. Die Bilder sind bewegt und farbig: Nach förmlichem Gruß der Jungen Pioniere gibt ein Kinderchor einer jungen Frau im blumenbekränzten Korbstuhl ein Ständchen. Dann soll ein junges Mädchen etwas aufsagen, weigert sich aber standhaft. Und bleibt auch im Zimmer zurück, als die anderen die junge, schwangere Frau durch den Park noch bis zum Tor begleiten. Edith ist vier Jahre lang so etwas wie die Ersatzmutter für die Heimkinder, allesamt Waisen, gewesen – und besonders für die kleine Sabine Kleist, die siebenjährig ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat. Da der Opa im Pflegeheim lebt, gibt es zum Kinderheim keine Alternative. Und es ist ja auch gut gegangen mit der jungen, engagierten, liebevollen Edith. Doch nun ist sie schwanger und will sich fortan nur noch um die eigene Familie kümmern, die ihr Mann, ein Berufskraftfahrer komplettiert.

Was die eifersüchtige Sabine nicht versteht und schon gar nicht, dass mit der herben Frau Marloch nun ein ganz anderes Kaliber das Sagen im Heim haben wird. Sabine hinterlässt eine breite Spur der Verwüstung, als sie sich heimlich aus dem Staub macht, um hoch zu Ross und von Schimmeln eskortiert wie eine Prinzessin in Berlin einzuziehen. Ein Traumbild? Sie hat sich einfach dem Zirkus Aeros angeschlossen, der mit dem ganzen Tross an Wagen und Tieren in der Hauptstadt seine Zelte aufschlägt. Anderntags sieht man Sabine auf einem Friedhof, wo eine Reichsbahn-Kapelle zur Beerdigung aufspielt. Beinahe hätte sie den Mann an der Basstuba aus dem Takt gebracht in ihrem Bemühen, Aufmerksamkeit zu erlangen - und Zuwendung. Aber am Ende heißt es immer: „Geh doch zu deinen Eltern!“

Doch das Heim kann nach Ediths Abschied nicht mehr ihr Zuhause sein. Sabine sucht ihre Ersatzmutter in deren Wohnung ebenso vergeblich wie auf der Entbindungsstation der Klinik, wo sie auf einen in etwa gleichaltrigen Jungen trifft, der sich darüber grämt, sein Zimmer künftig mit einer kleinen Schwester teilen zu müssen – und der Sabine nicht glaubt, dass sie gewöhnlich zu sechst in einem Raum schlafen muss. „Kannst mich haben“ tröstet Sabine eine verzweifelt um ihr totes Kind weinende Frau (Gudrun Ritter, am gleichen Tag der „Sabine Kleist“-Aufführung am Potsdamer Platz auf der 60. Berlinale für ihren neuen Film „Boxhagener Platz“ gefeiert), die so starr vor Entsetzen und Kummer ist, dass sie den Sinn der Worte des kleinen Mädchens an ihrer Seite gar nicht begreift.

Ob bei einer FDJ-Soli-Aktion am Alexanderplatz, am sonnigen Badestrand des Müggelsees, mit dem kleinen polnischen Jungen Stani, der seine Eltern sucht, oder dem gerade alkoholreich in Rente geschickten Handwerker Karl Schindler: die Signale der so aufgeweckten wie liebenswerten, so selbstbewusst auftretenden wie unauffällig wieder von der Bildfläche verschwindenden Sabine werden einfach nicht verstanden. Niemand kann sich vorstellen, die Siebenjährige bei sich aufzunehmen. „Opa“ Schindler ist immerhin bereit, im Heim einen Posten als „Reparaturmann“ anzunehmen, um in Sabines Nähe sein zu können. Aber das hätte er ihr besser gleich erzählt, so ist sie – scheinbar einmal mehr enttäuscht – davongelaufen. Erst als sie beinahe in die Luft gesprengt worden wäre, nachdem sie in einem Abbruchhaus die Nacht verbracht hat, sieht Sabine die Aussichtslosigkeit ihrer verzweifelten Suche nach familiärem Anschluss ein und stellt sich einer darob völlig verdutzten Volkspolizei-Streife. Im Heim erwartet sie jedoch nicht nur die starke Hand der Frau Marloch, sondern auch die liebevolle Fürsorge Ediths, die auch weiterhin ein Auge auf Sabine haben wird...

„Sabine Kleist, 7 Jahre“ gehört zu den ganz großen Kinderfilmen der Defa, erstausgestrahlt am 24. Dezember 1983 im Fernsehen der DDR und am 23. April 1984 auch im Bayerischen Fernsehen gezeigt. Der Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR verlieh ihm den Kritikerpreis als bester Kinderfilm des Jahres 1982, beim XIII. Int. Filmfestival Moskau 1983 wurde Petra Lämmel als beste Kinderdarstellerin ausgezeichnet und beim 3. Nationalen Festival für Kinderfilme der DDR in Gera 1983 gabs den „Goldener Spatz“ genannten Peis der Fachjury. Er berührt auch dreißig Jahre später noch, wie sich auf der 60. Berlinale 2010 im voll besetzten Cinemaxx am Potsdamer Platz zeigte – vor allem durch das unglaublich intensive Spiel der seinerzeit ebenfalls siebenjährigen Darstellerin der Titelrolle. Zusammen mit „ihrem“ Regisseur Helmut Dziuba stand nun mit Petra Lämmel eine so attraktive wie sympathische Mittdreißigerin vor der Leinwand, um sich Fragen heutiger Kinder in ihrem damaligen Alter zu stellen. „Sabine Kleist, 7 Jahre“ ist wohl auch deshalb immer noch so bewegend, weil die siebenjährige Protagonistin seinerzeit die Geschichte für bare Münze genommen hat, die ihr vom Autor und Regisseur erklärt worden ist – Szene für Szene. Und ganz ohne konkrete Vorgaben für ihre darstellerische Umsetzung.

Den Grund für die Wiederaufführung auf der Jubiläums-Berlinale hatten der Regisseur und seine Titeldarstellerin erst wenige Jahre zuvor erfahren: „Ihr“ Film ist bereits 1983 beim Kinderfilmfest 14 Plus der 32. Berlinale nicht nur gezeigt, sondern auch mit dem erstmals vergebenen Preis des „Centre International du Film pour l'Enfance et la Jeuneusse“ (C.I.F.E.J.) ausgezeichnet worden. Petra Lämmel, von Defa-Mitarbeitern quasi vom Schulhof weg vor die Kamera engagiert, hat den damaligen Rummel um den auch in der DDR überaus erfolgreichen Film zum Anlass genommen, konsequent allen Versuchen auch „ihres“ Regisseurs zu trotzen, weitere Filme zu drehen. Heute genießt sie als Assistentin der Geschäftsführung eines Zahntechnischen Labors in Berlin ein Leben abseits aller Zumutungen eines einstigen Kinderstars. Wenn er etwas gelernt habe von Petra Lämmel und vielen anderen seiner Hauptdarsteller im Kindes- und Jugendalter, so Helmut Dziuba im Cinemaxx, dann Geduld zu haben mit den ihm Anvertrauten. Die Kinder seien unabhängig von ihrem Alter eigenständige und ernst zu nehmende Persönlichkeiten, welche er nicht durch rigorose Regievorgaben verbiegen wolle. Weshalb die enorme Authentizität seiner Filme wie von selbst entstanden sei.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Bauten

Bau-Ausführung

Schnitt

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
1978 m, 73 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 03.09.1982, Berlin, International;
Erstaufführung (DE): Februar 1983, Berlin, IFF - KinderFilmFest

Titel

  • Originaltitel (DD) Sabine Kleist, 7 Jahre

Fassungen

Original

Länge:
1978 m, 73 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 03.09.1982, Berlin, International;
Erstaufführung (DE): Februar 1983, Berlin, IFF - KinderFilmFest