Kriegerin

Deutschland 2010/2011 Spielfilm

Inhalt

Im Leben von Marisa, Anfang 20, läuft kaum etwas so, wie sie es sich wünschen würde. Ihr Freund Sandro sitzt im Gefängnis, sie selbst hat keinerlei Zukunftsperspektive, und auch in ihrem Umfeld, ihrer Stadt und scheinbar dem ganzen Land scheint alles bergab zu gehen. Als Neonazi findet die hochaggressive, gewaltbereite junge Frau einen gewissen Halt und bekommt Schuldige für ihre Misere geliefert: Ausländer, Politiker, der Kapitalismus, die Polizei. Sie ist aggressiv und schlägt zu, wenn ihr jemand dumm kommt. Eines Tages bekommt sie in ihrer Clique eine Rivalin in Gestalt der 15-jährigen Svenja, die aus bürgerlichen Verhältnissen stammt und sich anschickt, Marisa den Rang abzulaufen. Damit nicht genug sucht sich der 14-jährige afghanische Flüchtling Rasul ausgerechnet ihren Badesee zum Schwimmen aus. Als die Welten dieser drei ungleichen Charaktere aufeinander prallen, bleibt das nicht ohne Folgen – im Guten wie im Schlechten.

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“: Opa Franz, der unverbesserliche Nazi, hat Enkelin Marisa, seine kleine „Kriegerin“, schon immer hart 'rangenommen. Kruppstahlmäßig wie ein Junge in langen Märschen am Ostseestrand. Nun liegt er in der Klinik, aus der er vermutlich nicht mehr herauskommt. Marisa besucht ihn im Gegensatz zu ihrer Mutter regelmäßig, und der Großvater lässt auf seinen „Engel“ nichts kommen, was immer der auch wieder angestellt hat.

Jung, weiblich, rechtsradikal. Marisa gehört zu einer Jugendclique der rechtsextremen Szene in einer mitteldeutschen Kleinstadt. Die schon 'mal den Fahrkartenkontrolleur aus dem Regionalzug wirft und die Passagiere nicht nur verbal anmacht: Wer irgendwie nach Ausländer aussieht, bekommt Schläge. Wehe, er setzt sich zur Wehr, dann kann er froh sein, irgendwo im Kreiskrankenhaus wieder aufzuwachen.

„Blut und Ehre“, Hakenkreuze, SS-Runen: Mit ihren martialischen Tätowierungen machen die Gruppenmitglieder in der Öffentlichkeit gar keinen Hehl aus ihrer rechtsradikalen Gesinnung. Und auch die vergleichsweise grazile, auf den ersten Blick so zerbrechlich wirkende zwanzigjährige Kassiererin in einem Supermarkt hat auf ihrer Schulter „Skingirl“ tätowiert und vorne ein Hakenkreuz. Marisa schlägt zu, wenn ihr jemand dumm kommt. Sie hasst Ausländer, Politiker, den Kapitalismus und die Polizei. Marisa sieht die Welt mit den Augen ihres geliebten Großvaters, der sie verwöhnt und – politisch – verführt hat. Von ihrer Mutter Bea dagegen, die mit ihrem Vater Franz nichts mehr zu tun haben will und ihn auch nicht am Krankenbett besucht, bekommt Marisa nur abschätzig zu hören: „Es gibt nicht viel, was du gut kannst.“

Gerade hat Marisa noch unter der Hakenkreuzflagge daheim mit ihrem Freund Sandro gefickt, da wird der Anführer der Neonazi-Gang quasi unter ihr von der Polizei verhaftet und landet für geraume Zeit im Knast. Wenn er wieder 'rauskommt, bekennt Marisa ihrer Mutter, könne sie sich schon vorstellen, von ihm ein Kind zu bekommen und eine Familie zu gründen. Bea hört sich das innerlich kopfschüttelnd an: Sie hat den Draht zu ihrer Tochter, die zugleich Kollegin im Kiez-Supermarkt ist, schon längst verloren. Beide leben noch unter einem Dach, aber aneinander vorbei.

Als Rasul und sein älterer Bruder Jamil, junge afghanische Flüchtlinge, im Laden eingekauft haben und jetzt mit den Sozialscheinen an der Kasse bezahlen wollen, ignoriert sie Marisa, bis ihre Mutter für sie einspringt: „Sowas bedien' ich nicht.“ Am Badesee zofft sich die eifersüchtige Marisa, bisher eindeutige Oberhenne im Korb an der Seite der ruhigen, unscheinbaren Nazibraut Andrea, mit dem 15-jährigen Neuzugang Svenja, die der um fünf Jahre ältere Markus angeschleppt hat. Dabei ist die babyspeckige Musterschülerin, ein völlig unbedarftes, unpolitisches Wesen, wahrhaftig keine Konkurrenz. Sondern ein ebenso armes Würmchen, das nur ihrem sadistisch-kontrollsüchtigen Stiefvater entkommen will – und sei es auch nur für wenige Stunden am Tag.

Da kommen die beiden afghanischen Asylbewerber gerade recht: Sie planschen unbeschwert mit kindlicher Freude, der sie lautstark Ausdruck verleihen, im Wasser und provozieren allein durch ihre Anwesenheit die Schlägertruppe. Die mit den beiden Jungs kurzen Prozess macht. Auf der Flucht schlägt Rasul aus Rache den Außenspiegel von Sandros klapprigem Golf, den Marisa während seiner Knastzeit fährt, ab. Sodass letztere, die volle Dröhnung Nazi-Rock im CD-Player des Autoradios, bei beiden verfolgt und das Moped in den Straßengraben abdrängt. An den folgenden Tagen kommt nur noch Rasul zum Einkaufen...

Während Svenja mit wachsender Begeisterung die hohe Schule neonazistischer Volksbildung durchläuft, die im Wesentlichen aus zusammengestoppelten Heftchen, originalem NSDAP-Material und rassistischen Videos, aber auch aus hetzerischen Vorträgen eines schmierigen Ostmärkers von der Deutsch-Nationalen Volks-Partei besteht, beginnt sich Marisa innerlich von der tumben Neonazi-Truppe abzusetzen. Wobei der Hardcore-Sex mit dem wieder auf freien Fuß gesetzten Macho-Widerling Sandro nur ein erster Auslöser ist.

Ausgerechnet Marisa, die sich schuldig fühlt am Verschwinden Jamils als Folge des von ihr herbeigeführten „Unfalls“, ist nun Rasuls Bezugsperson. Der 14-Jährige darf nicht allein in der Wohnung bleiben und entkommt, als er in ein Heim abgeschoben werden soll. Rasul richtet sich in einer verlassenen NVA-Kaserne ein. Marisa sorgt für Verpflegung und als sie erfährt, dass Jamil gar nicht an seinen Verletzungen gestorben, sondern nach Pakistan abgeschoben worden ist, kann sie dessen Bruder unbefangener gegenübertreten. Sie erfährt, dass er zu einem Onkel und seiner Familie nach Schweden reisen will, als Illegaler mit dem Schiff über die Ostsee. Marisa, erleichtert darüber, keine Totschlägerin oder gar Mörderin zu sein, ist bereit, ihm zu helfen. Dabei kommt ihr zugute, dass Svenja endgültig von daheim verschwunden ist und dabei die Haushaltskasse geplündert hat...

David Wnendts Kinodebüt „Kriegerin“, seine Abschlussarbeit an der Babelsberger HFF, ist eine schonungslose Milieustudie. Er zeigt die Gewalt, aber auch die Verführungskraft der rechten Jugendkultur. Beispiel Markus: Sein Vater, ein Alt-68er, der seine Ideale auch nicht im Rollstuhl aufgegeben hat, ist zwar mit der politischen Ausrichtung seines Sohnes alles andere als einverstanden, aber erstens ein Mensch, der Toleranz nicht nur predigt, sondern sie auch lebt, und zweitens ein Pflegefall, der auf die Hilfe seines Sohnes angewiesen ist. Markus ist der erste, der nicht nur aussteigt, sondern dem Inhaber eines Asia-Imbisses dazu verhilft, Sandro und Konsorten die Grenzen aufzuzeigen. „Kriegerin“ ist ein Ensemblefilm, und dennoch auch die Entdeckung der Darstellerin der Titelrolle: Alina Levshin ist ein Ereignis und wurde für ihre fulminante Leistung vielfach ausgezeichnet.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Script

Drehbuch

Kamera-Assistenz

Licht

Außenrequisite

Innenrequisite

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Ton-Design

Ton-Assistenz

Geräusche

Mischung

Casting

Darsteller

Redaktion

Producer

Produktionsleitung

Produktions-Assistenz

Dreharbeiten

    • 12.08.2010 - 29.09.2010: Sachsen-Anhalt, Mecklenburg Vorpommern
Länge:
2894 m, 105 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 12.10.2011, 129802, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 28.06.2011, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 19.01.2012;
TV-Erstsendung (DE): 01.08.2013, ZDF

Titel

  • Originaltitel (DE) Kriegerin
  • Titelübersetzung Combat Girls

Fassungen

Original

Länge:
2894 m, 105 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 12.10.2011, 129802, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 28.06.2011, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 19.01.2012;
TV-Erstsendung (DE): 01.08.2013, ZDF

Auszeichnungen

Moviecom518 2012
  • Regiepreis Metropolis, Nachwuchspreis
Studio Hamburg Nachwuchspreis 2012
  • Beste Produktion
  • Bestes Drehbuch
sehsüchte, Potsdam 2012
  • Know-How-Produzentenpreis
Deutscher Filmpreis 2012
  • Filmpreis in Gold, Beste Darstellerin
  • Filmpreis in Gold, Bestes Drehbuch
  • Lola in Bronze, Bester Spielfilm
Bayerischer Filmpreis 2012
  • Nachwuchsregiepreis
  • Beste Nachwuchsdarstellerin
Fernsehfilmfestival Baden Baden 2011
  • MFG-Star - Nachwuchspreis
Kinofest Lünen 2011
  • Schülerfilmpreis 16+
  • Perle, Beste Ausstattung
FIRST STEPS Awards 2011
  • FIRST STEPS Award, Abendfüllender Spielfilm
FBW 2011
  • Prädikat: besonders wertvoll
Filmfest München 2011
  • Förderpreis Deutscher Film, Drehbuch
  • Förderpreis Deutscher Film, Schauspiel weiblich
Prix Europa 2011
  • Prix Europa, Bestes Drehbuch - Fiktion