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Veröffentlicht auf filmportal.de (https://www.filmportal.de)

Peter Nestler

Date of Birth
06/01/1937 - 12:00
Geburtsort
Freiburg im Breisgau
Biografie

Peter Nestler wurde am 1. Juni 1937 in Freiburg im Breisgau als Sohn einer Schwedin und eines Deutschen geboren. Bis 1953 besuchte er ein Internat und arbeitete anschließend für kurze Zeit in der Kunststoff-Firma seines Vaters. 1954 war er vier Monate lang Volontär in einer Hamburger Exportfirma; noch im gleichen Jahr heuerte er als Seemann auf einem schwedischen Tanker an. Nach zwei Jahren auf See nahm er ein Studium der Malerei an der Münchner Kunstakademie auf und erlernte Siebdruck in einer Stuttgarter Druckerei.

Während des Studiums wirkte Nestler ab 1958 als Schauspieler in Kino- und Fernsehproduktionen mit. So gab er in Harald Reinls Schlagerfilm "Paradies der Matrosen" (1959) einen Seemann und in Géza von Radványis Halbstarken-Drama "Und sowas nennt sich Leben" (1961) einen Musiker. Ebenfalls in Nebenrollen gehörte er zum Ensemble von Helmut Käutners Kriminaldrama "Schwarzer Kies" (1961) und Axel von Ambessers Schlagerfilm "Eine hübscher als die andere" (1961).

Sein Regiedebüt gab Peter Nestler 1961/62 mit dem Kurz-Dokumentarfilm "Am Siel", über ein Dorf am Meer; gemeinsam mit dem Fotografen und HFF-Absolventen Kurt Ulrich zeichnete er dabei auch für Kamera und Schnitt verantwortlich. Die beiden arbeiteten auch bei den fürs Fernsehen produzierten Kurz-Dokumentarfilmen "Aufsätze" (1963) und "Ödenwaldstetten" (1964) zusammen. Für "Aufsätze" trugen Kinder selbst verfasste Texte über ihren Schultag vor, in "Ödenwaldstetten" spürte Nestler den gesellschaftlich-wirtschaftlichen Veränderungen in einem schwäbischen Dorf nach.

Weitere kurze Dokumentarfilme dieser Jahre waren "Mülheim/Ruhr" (1964), über die sich verändernde Lebenssituation im Ruhrgebiet, "Rheinstrom" (1965), über die Arbeit von Weinbauern und Schiffern am Rhein, und der fürs Fernsehen realisierte "Ein Arbeiterclub in Sheffield" (1965). Daneben arbeitete Nestler weiterhin als Schauspieler, vorwiegend fürs Fernsehen, um seine eigenen Filme zu finanzieren.

Wegen ihres kühl-distanzierten, aber auch poetischen Stils (häufig verbindet Nestler neu gedrehtes Material mit historischen Fotos und Zeichnungen) wurden Nestlers Filme zur Zeit ihrer Entstehung immer wieder als zu gekünstelt oder als Milieu-Zerrbilder kritisiert. Zu einer Zäsur kam es nach seinem halbstündigen Dokumentarfilm "Von Griechenland" (1965), über die politischen Umbrüche in Griechenland Mitte der 1960er Jahre. Nach der Uraufführung bei den Oberhausener Kurzfilmtagen wurde der Film in dem Branchenblatt Filmecho/Filmwoche als "kommunistisches Machwerk" bezeichnet. Als Folge der Kontroverse erhielt Nestler keine Aufträge von deutschen Fernsehsendern mehr.

Im Dezember 1966 zog Peter Nestler nach Schweden, ins Heimatland seiner Mutter. Dort arbeitete er zunächst als Waldarbeiter und in einer Eisfabrik. Schließlich konnte er beim schwedischen Fernsehen Fuß fassen. 1967 drehte er den Kurz-Dokumentarfilm "Röster från Ruhr" ("Im Ruhrgebiet"), über den Klassenkampf im Ruhrgebiet, und wurde im Jahr darauf fester Mitarbeiter beim 2. Kanal von Sveriges Radio. Dort war er zunächst vor allem für die Bearbeitung von Sendungen des Kinder- und Jugendprogramms zuständig. Daneben realisierte er weiterhin Filme als Regisseur, zwischen 1969 und 1976 häufig in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Zsóka (1944-2016).

In seinen zahlreichen schwedischen Filmen (ausschließlich Fernsehproduktionen) befasste Nestler sich immer wieder kritisch mit aktuellen und historischen politisch-gesellschaftlichen Themen. In "Far de komma igen?" ("Dürfen sie wiederkommen?", SE 1971, nicht gesendet) ging es um den Neofaschismus in Deutschland, in "Bilder fran Vietnam" ("Bilder aus Vietnam", SE 1972) um den Vietnam-Krieg und seine Folgen. Daneben behandelte er in den Zweiteilern "Tyg" ("Stoff", SE 1974) und "Bergshantering" ("Erzbergbau", SE 1975) verschiedene Aspekte der Stoffherstellung und des Bergbaus. Für den WDR realisierte Nestler in Deutschland den Kurz-Dokumentarfilm "Spanien!" (1973), über den antifaschistischen Bürgerkrieg in Spanien, der beim Preis der deutschen Filmkritik als Bester Kurzfilm ausgezeichnet wurde.

Zu seinen weiteren schwedischen Fernseharbeiten gehört unter anderem die vierteilige Reihe "Utlänningar" ("Ausländer", SE 1976-1978), welche den gesellschaftlichen Umgang mit Arbeitsmigranten beleuchtet. In "Hur förtrycket slår" ("Die Folgen der Unterdrückung", SE 1983) ließ er eine Chilenin von den Repressalien nach dem Putsch 1973 erzählen.

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre erhielt Nestler, der beim Schwedischen Fernsehen auch Einkäufer ausländischer Programme war, wieder Aufträge aus Deutschland. Für das Jüdische Museum in Frankfurt realisierte er die 25-minütige Dokumentation "Zur Geschichte der Juden in Frankfurt" (1988); für den SWR drehte er (zusammen mit seiner Frau) "Zeit" (1992), über sieben ungarische Künstler und deren äußerst entbehrungsreiche Lebenswege. Sein langer Dokumentarfilm "Pachamama - Unsere Erde" (1995), in dem er sich mit der Kultur der Indianer Ecuadors beschäftigte, erhielt den Hessischen Filmpreis als Bester Dokumentarfilm. Der Dokumentarfilm "Flucht" (2000) erzählte von der schier endlosen Flucht des jüdischen Malers Leopold Mayer aus Nazi-Deutschland über Frankreich in die Schweiz. In der halbstündigen TV-Doku "Mit der Musik groß werden" (2003) porträtierte Nestler zwei Budapester Musikschülerinnen zwischen Roma-Traditionen und akademischer Ausbildung an der Musikschule. Mit dem Kurzfilm "Verteidigung der Zeit" (2007, TV) realisierte er ein eigenwilliges Porträt des Filmemacher-Paars Danièle Huillet und Jean-Marie Straub. Als deutsch-schwedische Koproduktion entstand Peter Nestlers: "Tod und Teufel" (2009), ein sehr persönlicher Dokumentarfilm über seinen Großvater, den Fotograf und Forschungsreisenden Eric von Rosen (1879-1948), der in den 1930er Jahren an einer Vereinigung schwedischer Nazigruppen beteiligt war.

Nach einer langen Schaffenspause realisierte Peter Nestler wieder einen Film: Im Januar 2020 drehte er während der Vorbereitung zu der Münchner Ausstellung "Der geteilte Picasso. Der Künstler und sein Bild in der BRD und der DDR" (2021) einen Film über Picassos Wandgemälde "Krieg und Frieden". Der Film "Picasso in Vallauris" geht von Picassos Schaffen, seinen Beziehungen und politischen Verbindungen aus und blickt von dieser Vergangenheit her auf die Menschen, die heute in Vallauris leben. Der 48-minütige Film lief im Rahmen der Ausstellung und wurde im Mai 2022 bei den Oberhausener Kurzfilmtagen gezeigt. 

Peter Nestler, der heute als einer der bedeutendsten europäischen Dokumentarfilmer gilt, lebt in Stockholm.

Filmography
2021/2022
Der offene Blick
  • Regie
2021/2022
Unrecht und Widerstand
  • Regie
2020/2021
Picasso in Vallauris
  • Regie
2008/2009
Tod und Teufel
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Kamera
2007
Verteidigung der Zeit
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
2003
Mit der Musik groß werden
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
2001/2002
Die Verwandlung des guten Nachbarn
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Kamera
  • Schnitt
  • Ton
  • Produzent
2000
Flucht
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
1998
Die Römerstraße im Aostatal
  • Regie
  • Drehbuch
1995
Pachamama - Unsere Erde
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Interviews
  • Schnitt
1994
Die Hasen fangen und braten den Jäger
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Produzent
1994
Lófotr
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Interviews
  • Standfotos
  • Schnitt
1992
Zeit
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
  • Ton
1990/1991
Die Nordkalotte
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Schnitt
1991
The Jew Street
  • Regie
1987-1989
Vincent van Gogh - Der Weg nach Courrières
  • Sprecher
1988
Die Judengasse
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Schnitt
  • Ton
  • Produzent
1988
Das Bild der Juden in der christlichen Malerei und im geistlichen Drama
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Ton
1988
Zur Geschichte der Juden in Frankfurt
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Ton
1986
Ödenwaldstetten 2
  • Sonstiges
1983/1984
Farlig Kunskap
  • Regie
1978
Iranier 1
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1978
Le Rom
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1978
Iranier 2
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1976
Båtar och kanoner
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1974
Lördags Chile
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1974
5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm
  • Mitwirkung
1973
Spanien!
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1972
Einleitung zu Arnold Schoenbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielscene
  • Darsteller
1972
Fos-sur-mer
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
1970
Att vara zigenare
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1970
Hur gör man glas? (Hantverksmässig)
  • Regie
1970
Hur gör man glas? (Maskinell)
  • Regie
1969/1970
Uppför Donau
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1967/1968
I Ruhrområdet
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1965/1966
Von Griechenland
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
  • Ton
  • Produzent
1965/1966
Abschied
  • Darsteller
1965
Rheinstrom
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
1965
Ein Arbeiterclub in Sheffield
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1964
Ödenwaldstetten
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1964
Mülheim/Ruhr
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
1963
Herz ist Trumpf
  • Darsteller
1963
Der Würger von Schloß Blackmoor
  • Darsteller
1963
Aufsätze
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
  • Ton
1962
Trompeten der Liebe
  • Darsteller
1961/1962
Am Siel
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
1961
Eine hübscher als die andere
  • Darsteller
1960/1961
Schwarzer Kies
  • Darsteller
1961
Der Hochtourist
  • Darsteller
1960/1961
...und sowas nennt sich Leben
  • Darsteller
1959
Der Mann im Manne
  • Darsteller
1959
Paradies der Matrosen
  • Darsteller
1958
Der Schinderhannes
  • Darsteller
URL: https://www.filmportal.de/person/peter-nestler_dc4948095e0741cbb5953d9d7bd53f15