Ein Mann wie EVA

BR Deutschland 1983/1984 Spielfilm

Ein Mann wie Eva



HG. Pflaum, epd Film, Nr. 02, Februar/März 1984


Als Imitatorin von Rainer Werner Fassbinder ist Eva Mattes einfach fantastisch. Schon deshalb spielt es keine Rolle, ob im Titel nun EVA oder E.V.A. steht, doch Radu Gabrea und Laurens Straub sollen darüber gestritten haben; ihr Streit war mehr als überflüssig, auch dann, wenn er um die größeren Anteile an der Urheberschaft ging. Die Handschrift Gabreas, sein Umgang mit Licht, Farbe und Atmosphären, kann jeder wiedererkennen, der "Fürchte dich nicht, Jakob!" gesehen hat. Gleichzeitig aber demonstriert der Film eine intime Kenntnis der Person Fassbinders, seiner Schwächen und Schwierigkeiten, seines Sprachduktus und seiner Körperhaltungen – und seiner Mitarbeiter, sogar seiner Wohnung in der Reichenbachstraße. Über diese Kenntnisse dürfte der Regisseur wohl schwerlich verfügt haben können. Überhaupt ist von den Beteiligten viel Seltsames über diese Arbeit gesagt und geschrieben worden. Vergleiche mit "Der letzte Tango", "Mephisto" und "Abend der Gaukler" wurden riskiert. Bei den sexuellen und erotischen Szenen hat Eva Mattes (laut Presseheft) einen künstlichen Penis an, "damit sie irgendwie das Gefühl behält, wie es sich anfühlt, ein Mann zu sein" (Laurens Straub). Als ob sich einer mit Schuppen im Haar wie ein Fisch vorkommen könnte. Und Eva Mattes erklärte: "Ich hab mit niemand geschlafen in der Zeit, weil ich nicht Frau sein wollte, oder wenn, dann fand das allerdings so statt, dass ich wirklich mehr Mann war als sonst." (Drehzeit: 13.6.-9.7.83).

Am meisten aber verblüfft mich eine Erklärung Radu Gabreas: "Einen Film über RWF wollte ich eigentlich nicht machen." Dabei dürfte es wohl unmöglich sein, in diesem Film auch nur ein einziges Motiv zu finden, das nicht zumindest eine Anspielung auf Fassbinder bedeuten würde. Ein Filmteam lebt und arbeitet da in einer alten Villa, wie zu Fassbinders Anfangszeiten, oder wie in Stöckach, bei den Dreharbeiten zu "Chinesisches Roulette" (1976), und noch das Zimmer der Regisseurs Eva gleicht der Wohnhöhle Fassbinders in München. Eva trägt eine Lederjacke, Lederstiefel, einen Hut, und ihr Bart ist die akribische Meisterleistung maskenbildnerischer Mimikry. Eva schaut sich gern im Fernsehen Fußballspiele an. Im Team gibt es einen Farbigen; er heißt Ali und bringt sich um. Im Team gibt es einen jungen Schauspieler, er heißt Walter und bringt sich auch um. Im Team gibt es eine Schauspielerin; sie heißt Gudrun, stürzt mit blutenden Händen ins Bild und bringt sich nicht um. Wer nur ein klein wenig Ahnung über die Vorgänge unter Fassbinders Mitarbeitern hat, wird diese Figuren allesamt wiedererkennen.

Wiedererkennen lassen sich auch die Spuren aus Fassbinders Filmen. Eine Einstellung zeigt das Team um den Tisch gruppiert wie die Ganoven aus RWFs frühen Gangsterdramen. Eva schikaniert Gudrun wie der Dichter Kranz seine Geliebte in "Satansbraten". Man sieht Anklänge an "Warnung vor einer heiligen Nutte" und "In einem Jahr mit 13 Monden", man sieht Spiegel und Spiegelbilder, man sieht Blicke durch Türen. Und man sieht, wie jede Liebe und Zuneigung im Team den Regisseur Eva schmerzlich trifft, wenn sie nicht ihm, sondern einer anderen Person gilt. Seine Eifersucht, seine Ansprüche, seine Einsamkeit – und da gibt es Momente, die mich plötzlich doch berühren, gegen meinen Willen, gegen meine Überzeugung, wie mich auch einige Augenblicke durch die Perfektion des Imitierens berühren, weil ich plötzlich den Rainer wiederzusehen glaube. Vielleicht ist gerade dies das Ärgerliche an diesem Film: dass er sich, ganz im Gegensatz zu Gabreas Statements, eben nicht von Fassbinder löst, sondern von seiner Tragik profitiert. Oder gelegentlich vergeblich zu profitieren versucht, wenn die pointillistische Nachahmung in die Karikatur umkippt, oder wenn die melodramatischen Töne – auch da beruft sich der Film auf Fassbinder – mitunter aus der Kontrolle geraten, wie etwa in der Schlusssequenz. Natürlich gibt es auch Szenen, von denen ich nicht weiß, ob sie erlebt, recherchiert oder erfunden sind, die Taufe eines Hundes zum Beispiel, oder die beiden Frauen im Team, die der Regisseur aus Geldnot auf den Strich schickt. Aber diese Szenen passen haargenau hinein, in den Film wie in die Statements.

Fassbinder war im Umgang mit seinen Mitarbeitern nicht zimperlich. Er hat darüber selbst reflektiert, auch öffentlich, etwa in seiner Episode von "Deutschland im Herbst", oder in "In einem Jahr mit 13 Monden". Dort erfahren wir mehr über ihn, auch über seine Formen des Versagens. Gabrea und Straub bleiben, trotz spektakulärer und spekulierender Elemente, weit dahinter zurück. Dabei wäre es möglich oder unerlässlich gewesen, auch etwas von Fassbinders Leistungen zu vermitteln, von seinem Handwerk, von dem, was ihn als Regisseur ausgemacht hat. Hierzu erfahren wir nur ein paar arge Sätze („Meine Kunst ist eine Kunst der Macht"), mehr eigentlich nicht. Hätte Radu Gabrea doch das getan, was er behauptet getan zu haben. Hätte er doch keinen Film über Rainer Werner Fassbinder gemacht!

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