Neues aus der Florentiner 73

DDR 1974 TV-Film

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die Welt der Florentiner Straße 73 in Berlin-Pankow ist drei Jahre nach dem Erfolgsstreifen von Klaus Gendries farbig geworden. Und doch scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hat nicht eben erst Wolfgang Engel („charmant, witzig, verständnisvoll“: Norbert Speer) „seine“ Brigitte Platz (Edda Denges) in höchster Eile zur Entbindungsklinik gebracht?

Nun sehen wir, wie Mutter Klucke (Agnes Kraus) beim Bäcker am Telefon hängt und erfahren will, ob ihre „Tochter“ schon entbunden hat und was es denn nun geworden ist – Junge oder Mädchen? Die ganze Straße scheint begierig der Antwort zu harren, aber noch müssen sich alle gedulden.

Es ist ein Mädchen, Josefine, genannt Finchen. Und gleich zwei „Väter“ befinden sich in derselben Tram zum Krankenhaus: Klaus Schmotzki („ehrgeizig, begabt und trotzig“: Klaus-Peter Thiele), der leibliche, im Gefolge von Brigittes Mutter (Carola Braunbock). Und Wolfgang Engel, der richtige, in Begleitung der Klucken, der die versprochenen Rosen mitbringt.

Ein Überfall – der beiden Kerle samt mütterlicher Unterstützung und der ganzen Hausgemeinschaft. Als der Rummel vorbei ist, haben sich zumindest Mutter und Tochter Platz wieder versöhnt: „Als ich zwölf war, hast du mich das letzte Mal so umarmt“ erinnert sich Brigitte an die, so ihre Mutter geschwollen, „vorübergehende Phase familiärer Spannung.“ Die diese mit einem Präsentkorb und Bargeld für die Klucke für beendet erklären will. Da ist sie freilich an die falsche, d.h. die richtige Großmutter geraten!

Zu Silvester geht’s mit Kind und Kegel unter großem Getöse zurück in die Florentiner 73. Wo es zum Jahreswechsel vorzeitig knallt. So hängt bei den Hartmanns der Haussegen schief, weil die Neubauwohnung für das nicht mehr ganz so junge Glück zwischen Sohni (Günter Sonnenberg) und Helga Riechert (Anne Wollner) immer noch nicht fertig ist und sich die beiden Alten (Hertha Thiele und Erich Petraschk) vielsagend zum Friedhofsgang aufmachen, um ihnen ein ungestörtes Schäferstündchen zu bereiten. Doch Sex auf schwiegerelterliches Kommando ist Helgas Sache nicht.

Der Medizinstudent Wolfgang ist zwar ein hilfsbereiter Engel rund um die Uhr, aber auch nur ein Mensch – und daher auf den erfolgreichen und schon fest im Berufsleben stehenden Diplom-Kaufmann Klaus eifersüchtig. Der könnte der Mutter seines Kindes, die ihm einst besagte Diplomarbeit auf der Maschine tippte, einiges bieten – und er selbst noch nicht einmal ein vernünftiges Nest für die kleine Familie. Das sehen die beiden rührenden Großmütter Klucke und Knatter (Steffie Spira) nicht anders. Zumal sie sehen, wie Klaus sich plötzlich um Brigitte bemüht. Er bekommt einen attraktiven Geschäftsführerposten in Budapest und würde sie samt Finchen gerne mit an die Donau nehmen.

Andererseits: so eine eingeschworene Gemeinschaft wie in der Florentiner 73 kriegt Brigitte nirgendwo anders in der Welt. Schreit Finchen 'mal in der Nacht, steht das halbe Haus um die kleine hölzerne Wiege. Und endlich funkt es auch richtig zwischen Brigitte und Wolfgang – bis hinauf aufs Dach des Altbaus. Die Liebenden werden auf Ostsee-Reise geschickt, damit im Kollektiv geräumt werden kann: die beiden Großmütter Klucke und Knatter ziehen zusammen, während Letztere ihre Wohnung für die Erholungsurlauber freizieht. Dann soll aber zügig geheiratet werden – Ordnung muss sein!

Auch sonst überschlagen sich förmlich die Ereignisse. Oma Knatter hat beim Anzeigen-Emil (Gerd E. Schäfer), der statt schädlicher Tabakwaren nun Toto- und Lottoscheine verkauft, ein Bekanntschafts-Inserat aufgegeben und zieht nun mit einem gewissen Herrn Krawuttcke (Fritz Dietz) um die Häuser. Und nach einiger Zeit in sein Haus – ein Altenheim. Wo sie auch in der Küche eine äußerst befriedigende Beschäftigung findet. Was nun die Kommunale Wohnungs-Verwaltung (Wolfgang Arnst) auf den Plan ruft, die Brigitte und Wolfgang eine Räumungsfrist von nur drei Wochen setzt. Denn mit Frau Hunke (Ostara Körner) steht die nächste Mieterin bereits in den Startlöchern.

Was tun? Oma Klucke weiß 'mal wieder Rat: Brigitte und Wolfgang übernehmen das Hausmeister-Amt und können wohnen bleiben. Zuvor aber begleitet Brigitte, die ihren Beruf als Chefsekretärin im Außenhandel wieder aufgenommen hat, ihren Vorgesetzten Trabmann (Wilhelm Gröhl) nach Budapest, wo sie naturgemäß auf Klaus trifft, der das Unternehmen in Ungarn vertritt. Und sich in dieser weltoffenen, geradezu südländischen Stadt erstmals in ihn zu verlieben scheint beim romantischen Dinner. Doch Trabmann, seit vierzig Jahren verheiratet, riecht den Braten: Liebe muss nicht nur praktisch sein, um den Lebensalltag zu meistern, sie muss auch romantisch sein. Für Brigitte ist klar: Sie bleibt bei Wolfgang und dann wird geheiratet.

Wobei es auf dem Pankower Standesamt zur Doppelhochzeit kommt, denn auch Marina Maass (Jessy Rameik) hat über Anzeigen-Emil einen Vater für ihre drei Kinder gesucht – und ihn im Witwer Pawlak (Herbert Köfer) gefunden. Der weitere drei Kinder einbringt – in die Ehe und in die Florentiner 73. Und weil sich dreifache Freude noch besser macht zum regelrecht überbordenden Komödien-Finale, können Sohni und Helga endlich ihre Neubau-“Platte“ beziehen. Klar, dass die ganze alte Hausgemeinschaft mitfeiert...

„Neues aus der Florentiner 73“ ist wie sein Vorgänger eine Produktion der Babelsberger Defa für den Adlershofer Deutschen Fernsehfunk, kam nach seiner Erstausstrahlung am Weihnachtsabend des 24. Dezember 1974 jedoch nicht ins Kino. Was auch daran gelegen haben mag, dass sich das Autorenduo Kurt Belicke/Klaus Gendries vor allem zum Ende des knapp neunzigminütigen Films schlicht verzettelt hat: zu viele Handlungs-Nebenstränge mussten bewältigt werden, was auf Kosten der zentralen Dreiecksgeschichte der jungen Leute ging. Aber auch auf Kosten der Charakterdarstellerin Agnes Kraus als Oma Klucke.

Das muss besonders der Schriftstellerin Renate Holland-Moritz, Autorin der Vorlage, der 1967 erschienenen Erzählung „Das Durchgangszimmer“, aufgefallen sein. Denn die 1935 in Berlin geborene Tochter eines Handwerkers und einer „Wintergarten“-Artistin war als Autorin (für Roland Oehmes „Der Mann, der nach der Oma kam“) wie als Journalistin dem Film eng verbunden, ihre Kritiken in der satirischen Wochenzeitschrift „Eulenspiegel“ unter ihrem Markenzeichen „Kino-Eule“ hatten zwischen 1960 und 2015 – und damit über das Bestehen der DDR hinaus - geradezu Kultstatus.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
92 min
Bild/Ton:
Farbe
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.12.1974, DDR1

Titel

  • Originaltitel (DD) Neues aus der Florentiner 73

Fassungen

Original

Länge:
92 min
Bild/Ton:
Farbe
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.12.1974, DDR1