Die Unzerbrechlichen

Deutschland 2003-2006 Dokumentarfilm

Die Unzerbrechlichen


Nun suchte sich die BMW-nahe Eberhard von Kuenheim Stiftung die Hütte für ein Modell-Projekt aus, um die stillgelegte Firma wieder zum Laufen zu bringen. Drei Jahre lang hat Dokumentarfilmer Dominik Wessely den Versuch der Reanimation des Traditionsbetriebs mit der Kamera begleitet. Dabei hat sein Film mit Max Hannes so etwas wie einen Hauptdarsteller: Der Mann, der sich in 39 Jahren vom Lehrling zum Werksleiter hocharbeitete, ist die zentrale Figur bei allen Bemühungen, dem Prinzip Hoffnung zu folgen. Dabei merkt man dem bodenständigen Arbeiter lange Zeit seine Skepsis gegenüber den zwei agilen Jungmanagern der Stiftung an. Auch die beiden Hamburger Design-Experten, die ins Projekt einsteigen und mit leuchtenden Augen die gläserne Konkursmasse bestaunen, erscheinen ihm wie Wesen von einem anderen Planeten. Aber wenn es mit der ersehnten Wiedereröffnung der Hütte klappen soll, muss er sich wohl oder übel mit den Fremdlingen einlassen. Vor allem aus diesem Zusammentreffen gänzlich verschiedener Charaktere bezieht der Film seinen Reiz und auch seinen Unterhaltungswert; denn wo schon jener Max Hannes kein weltgewandter Schwätzer ist, kommen die ehemaligen Arbeiter der Hütte als wunderbar minimalistische Schweiger daher. Wenn sie stumm und frierend vor dem Werkstor auf den Beginn einer Versammlung warten, wähnt man sich fast in einem Film von Aki Kaurismäki. Aber Wessely, der bereits mit der Docu-Soap „Broadway Bruchsal“ sowie dem Dokumentarfilm „Patient Landarzt“ für Aufsehen sorgte, belässt es keineswegs bei der schlichten Chronologie der Ereignisse, sondern komponiert souverän dezidiert filmische Elemente zu einem komplexen, aber stimmigen Ganzen, das durchaus eine Kinoleinwand füllt. Da wechseln ohne jeden Off-Kommentar bewegte Sequenzen mit Stillleben von erkalteten Schmelzöfen, Verhandlungen mit Bankern mit den alltäglichen Sorgen und Nöten ehemaliger Glasbläser in der notorisch strukturschwachen Region. Wobei Wessely das Kunststück gelingt, die eine Ebene nicht gegen die andere auszuspielen. Frei von ideologischem Ballast überlässt er den Akteuren das Feld, dokumentiert Fort- und Rückschritte, setzt Euphorie gegen die allgegenwärtige Angst vor dem Scheitern. Das Ganze erinnert in manchen Sequenzen (etwa die Verhandlungen in einer renommierten Werbeagentur) an die nüchternen Bestandsaufnahmen von Harun Farocki, ist aber doch weitgehend von deutlicher Sympathie für die ehemaligen (und bald wieder) Beschäftigten der Fabrik getragen. Wenn die Glasbläser in der wiedereröffneten Fabrik konzentriert ihrer Arbeit nachgehen, verdichtet die Kamera ihr Tun zu einer wunderbar choreografierten, stummen Sequenz, die einer Hommage an ein aussterbendes Handwerk gleichkommt.

Am Ende sieht man Max Hannes durch die Glitzerwelt einer Frankfurter Fachmesse irren. Nachdem er endlich die beiden Manager der Stiftung getroffen hat, die ihn routiniert mit „Wie war Ihr Flug?“ begrüßen (obwohl Hannes natürlich mit dem Auto angereist ist), steht er irgendwann vor dem glamourösen Stand der Glashütte Theresienthal und hat Tränen in den Augen. Man wünscht der Hütte und ihren Beschäftigten als Zuschauer von Herzen alles Gute – und bekommt unbändige Lust, aus schönen Gläsern zu trinken.

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