Interview mit dem Regisseur Hans Steinbichler

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Christine Bücken (für ARTE), April 2005

„Heimat ist da, wo es wehtut”

Mit seinem Erstlingswerk "Hierankl" erweitert Regisseur Hans Steinbichler das Genre Heimatfilm: Die scheinbar heile Welt einer Familie zerbricht an ihren eigenen Lügen und Geheimnissen. Hans Steinbichler ist ein „Natur-Talent“. Im Chiemgau aufgewachsen, liegen ihm Natur und Landschaft seiner Heimat sehr am Herzen. Mit "Hierankl", seinem ersten Langspielfilm, zeigte er mit Erfolg, dass der Heimatfilm noch nicht ausdefiniert ist. "Hierankl" wurde 2003 auf dem Münchner Filmfest mit dem „Förderpreis Deutscher Film“ ausgezeichnet. Johanna Wokalek bekam für ihre Darstellung der Lene den Preis als beste Schauspielerin sowie den Bayerischen Filmpreis.

ARTE: In "Hierankl" brechen Sie mit den Klischees des deutschen Heimatfilms und schauen hinter die Fassade des Alpenglücks. Was bedeutet für Sie Heimatfilm?

Hans Steinbichler: Der Begriff Heimatfilm bedeutete lange Zeit, dass glückliche Leute mit niedlichen Problemen auf grünen Wiesen ein Happy End erleben. Für mich aber bedeutet Heimatfilm den Anfang einer neuen Entwicklung. Denn Heimat hat immer mindestens zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Mir geht es darum, dass man sich ehrlich mit seiner Vergangenheit und mit seiner Heimat auseinandersetzt. Das kann auch durchaus schmerzhaft sein und Konflikte hervorrufen. Ein Satz aus Chris Kraus’ Film "Scherbentanz" bringt es auf den Punkt: „Heimat ist da, wo es wehtut.”

ARTE: Haben Sie deshalb dieses Genre gewählt?

Hans Steinbichler: Ich habe tatsächlich einen großen Bezug zu meiner Heimat und zu ihrer sagenhaften Landschaft. Im Chiemgau kenne ich jeden Stein. Die Schauplätze des Films entsprechen einer emotionalen Landkarte meines Inneren: ein erster Kuss, ein Ort, an dem ich eine bestimmte Musik gehört habe – diese Gefühle waren für mich und meinen Film ausschlaggebend. Ich möchte die Klischees aus dem Weg räumen. Heimatfilm kann mehr bieten als heile Welt.

ARTE: In "Hierankl" bricht Lene aus der Enge des Weilers aus und zieht weit weg in die Metropole Berlin. Haben Sie einen ähnlichen Loslösungsprozess erlebt?

Hans Steinbichler: Meine Kindheit habe ich ohne Fernseher in einem Kuhdorf verbracht und das auch sehr genossen. Erst für mein Studium habe ich mein Zuhause verlassen und bin nach Passau gegangen. Mich interessiert der Konflikt des Loslösens. Ich kenne viele Leute, die eine extreme Distanz zu ihrem Zuhause suchen und möglichst weit weg ziehen. Für die persönliche Entwicklung ist dies sicherlich nur gesund. Jeder muss für sich klären: An welchem Punkt frisst mich die Familie auf? Wo beginnt eigentlich meine eigene Identität?

Das komplette Interview lesen Sie auf ARTE.

 

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