Wo ist Coletti?

Deutschland 1913 Spielfilm

Wo ist Coletti?


Lichtbild-Bühne, Nr. 14, 5.4.1913


Berlin hat jetzt seine persönliche Note, das Schlagwort der Zeit, denn überall wird es uns jetzt entgegentönen: "Wo ist Coletti?" Genau so, wie man damals fast wie eine Landplage überall hörte: "Haben Sie nicht den kleinen Cohn geseh"n?"

Die Modeworte, Gassenhauer oder Schlagworte der Zeit sind früher auf der Bühne oder mitten im Volk geboren; jetzt nehmen sie von der Leinwand aus ihren Weg in die Öffentlichkeit, und wenn ein solches Wort packt, dann nistet es sich überall fest und ist kaum wieder aus der Welt zu schaffen.

Coletti ist am Mittwoch nachmittag in den "Kammer-Lichtspielen" am Potsdamer Platz geboren worden und im Moment war er auch schon verschwunden, denn überall drang es uns ins Ohr: "Wo ist Coletti?"

In unserer trübseligen, grauen, theoretischen Zeit, die uns täglich neue Steuerlasten, Lebensmittelverteuerungen, Offenbarungseide, Bankzusammenbrüche, Manifestationen und dergleichen liebliche Dinge bringt, da ist der ein gottbegnadeter Künstler, der es versteht, uns die Sorgenfalten von der Stirn wegzuscheuchen. Wer den bitteren Ernst des Lebens uns für ein Stündchen nur hinwegtäuschen kann, der ist unser Freund, ein Messias, Volksbeglücker und Menschenkenner.

Das Leben selbst bringt uns täglich die Fortsetzung eines unendlich langen Dramas. Wie wohltätig muß es wirken, wenn ein diabolischer Hanswurst und Tausendsassa uns auch mal eine Posse dazwischenschmuggelt, und dieser Feiertag wurde der trüben Menschheit am Mittwoch durch einen Film beschert, den uns dankenswerterweise die "Kammer-Lichtspiele" servierten.

Wir möchten diesem Institut schon jetzt unseren Dank und unsere Gratulation darbringen, denn der Griff mußte ja ein glücklicher sein.

Die kluge Direktion hat einen unbestrittenen Riesen-Erfolg, einen Sieg auf der ganzen Linie zu verzeichnen. Das Haus war bis auf den letzten Platz von einer erwartungsfrohen Menge gefüllt. Man sah es allen an, daß sie auf die kommende Freude warteten. Eine Freude, die man bisher beim Kinematograph, der leider viel zu gern im ernst-dramatischen Fach arbeitet, allzu selten nur genießt. Wie ein befreiendes, köstliches Lachen ging es durch die Parkettreihen. Der Kontakt zwischen Wand und Parkett war im Moment hergestellt.

Die lustige Kinoposse hat Franz von Schoenthan geschrieben. Er ist ein echter und richtiger Künstler für den Film, denn es weiß, was ihm frommt. Mit sorglosem, sprühendem Humor hat er eine äußerst glückliche und auch geistvolle Idee so hübsch mit interessanten Bildern ausgestattet, daß wir ihn für einen richtigen Film-Literaten ansprechen. Mit dem köstlichen Manuskript ist er vielleicht sogar erst hausieren gegangen, und man hat vielleicht sogar geglaubt, daß man dem Kino-Publikum nur dramatisch-literarisch kommen darf, aber die "Vitascope-Gesellschaft" erkannte im Moment den Wert des seltenen Schatzes und hat zu Schoenthan gesagt: "Machen wir!", und mit Schaffensfreude ging man an die Herstellung des lustigen Bilderbuches.

Der Regisseur Max Mack hat sich bewährte Mitarbeiter und Bühnenkünstler für die tolle Sache herangeholt: Hans Junkermann für den Detektiv Coletti, Heinrich Peer, sein Doppelgänger, als Barbier, die graziöse Madge Lessing als Lolotte und Anna Müller-Linke als resolute Dame. Wenn solche vergnügte Gesellschaft mit Ernst und Feuereifer an eine Kinoposse herangeht, dann hat man den Lacherfolg schon vorher in der Tasche, und als am Mittwoch der Film stieg, da wurde der erhoffte Erfolg noch weit übertroffen, denn wie eine Erlösung ging es unausgesprochen durch das befreiend aufatmende Publikum; "Gott sei Dank! Endlich mal kein Drama!" (...)

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