Circus Humsti Bumsti

BR Deutschland 1949 Kurz-Spielfilm

"Circus Humsti Bumsti" (BRD 1949/1951) von Kurt Stordel – Hilfsbereitschaft wird belohnt

von Jeanpaul Goergen


Der rund 14-minütige Zeichentrickfilm "Circus Humsti Bumsti" von Kurt Stordel wurde ab 1952 von der auf Kinder- und Jugendfilme spezialisierten Schongerfilm von Hubert Schonger verliehen. In dessen Portfolio befanden sich auch der Zeichenfilm "Rotkäppchen" von Stordel, ein Überläufer aus den letzten Kriegsjahren, sowie die neu produzierten Puppentrickfilme "Pimpinella" (1948, R: Hedwig Otto, Gerda Otto) und "Das Wunderfenster" (1952, R: Gerda Otto.) 

"Circus Humsti Bumsti" wurde bereits Ende 1949 unter dem Titel "Der Zirkus" in der ersten Ausgabe des Internationalen Kinderfilmfestivals (Reihe: Filme für Kinder bis sieben Jahre) bei den 10. Internationalen Filmfestspielen von Venedig aufgeführt. Eingereicht hatte ihn die Film Section Zonal Office Information Service  der britischen Besatzungsbehörde. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die britische Information Control Division (ISD) die Produktion auf die eine oder andere Art und Weise unterstützt hatte. Aus unbekannten Gründen erfolgte die Freigabe von "Circus Humsti Bumsti" durch die Freiwillige Selbstkontrolle jedoch erst am 19. Dezember 1951.

Quelle: Jeanpaul Goergen
Screenshot aus "Circus Humsti Bumsti"

Der 1901 im schlesischen Morgenroth, Kreis Beuthen, geborene Kurt Stordel war ein erfahrener Zeichentrickfilmer, der auch als Maler, Zeichner und Illustrator arbeitete. Nach Kunststudien in Danzig, Hamburg und Berlin arbeitete er als Karikaturist für Zeitschriften wie die Hamburger Illustrierte, die Hummel und das Karstadt-Magazin sowie als Buchillustrator. 1923 begann er als Trickfilmzeichner bei der Edlow-Film in Hamburg, wo er sich das nötige Fachwissen selbst beibrachte. Als selbständiger Zeichner drehte er ab 1927 Werbefilme für die Hamburger Vera-Film, arbeitete aber auch für die Praesens-Film (Zürich) und niederländische Firmen. Ungenannte Mitarbeiterin an seinen Filmen war sein Frau Elisabeth, die als Gebrauchsgraphikerin im Werbeatelier von Karstadt angestellt war. 1935 gründete Stordel in Hamburg die Hansa-Film-Produktion Stordel & Schürmann zwecks Herstellung von Kultur-, Werbe- und Zeichentrickfilmen. Als erste Folge einer Reihe "Deutscher Märchenkranz" entstand 1936 "Graf Habenichts" frei nach Grimms Märchen "Der gestiefelte Kater". Die zweite Folge "Dornröschen" realisierte er im gleichen Jahr für die Tobis-Melofilm.

Mitte der 1930er Jahre eröffnete Stordel in Berlin unter seinem Namen ein Zeichentrickfilm-Atelier. Dort nahm er die Zeichenfilme "Ein Märchen" (1938) und "Purzel der Zwerg und der Riese vom Berg" (1939) auf. 1940 kam er als Chefzeichner zur Deutschen Zeichenfilm GmbH, arbeitete aber bald wieder als freier Zeichner. Einige seiner Filme entstanden auch in Gasparcolor und Agfacolor. Den für Hubert Schonger gegen Kriegsende begonnenen Trickfilm "Rotkäppchen" konnte er erst 1948 fertigstellen. Nach 1945 fand er sein Auskommen in Informations- und Werbefilmen und zeichnete auch für die Sesamstraße. Kurt Stordel starb 1993 in Hamburg.

Der Film. Der Filmtitel "Circus Humsti Bumsti" spielt auf den bekannten Clown-Akrobat Humsti-Bumsti der 1920er Jahre an. Ein Zirkus zieht in eine Kleinstadt ein. Als der lustige Elefant zu humpeln beginnt, eilt eines der umstehenden Kinder nach einer Zange und zieht ihm den schmerzenden Nagel. In der Nacht entführt der Elefant den achtsamen Jungen aus seinem Schlafzimmer und geleitet ihn in den "Circus Humsti Bumsti", wo ihm die Tiere ihre Kunststücke vorführen. Eingeschlafen, trägt ihn der Elefant behutsam wieder nach Hause zurück. Die Botschaft des Films ist klar: Hilfsbereitschaft und Tierliebe lohnen sich und werden belohnt. 

Der Film ist im preiswerten Schwarz-weiß aufgenommen und verzichtet auf einen Kommentar. Der erfahrene Komponist und Orchesterleiter Adolf Steimel illustriert die Szenen mit Swing- und Tanzmusik und lässt auch schon mal jazzige Töne anklingen. Insbesondere die abwechslungsreichen Zirkusnummern weiß er abwechslungs- und facettenreich zu illustrieren.

Die Erzählung ist kindgerecht aufgebaut und nachvollziehbar, detailreich und kurzweilig. Strodels Animationsstil erfasst die Wesensart der zahlreichen Tiere, auch der junge Held des Films ist mit seinen Pausbacken und den großen Augen anziehend und sympathisch gezeichnet. Die kleine Geschichte wird in vier Sequenzen dargestellt: Der Junge befreit den weinenden Elefanten von einem Nagel, der ihn des Nachts als Belohnung in den Zirkus führt. Die Darbietungen der Zirkustiere bilden die dritte und längste Sequenz. Schließlich bringt der Elefant den Jungen wieder nach Hause zurück.

Quelle: Jeanpaul Goergen
Screenshot aus "Circus Humsti Bumsti"

Gleich die erste Szene ist am aufwändigsten ausgeführt. In der Art eines Wimmelbildes sehen wir einen freundlich blinzelnden und tänzelnden Elefanten, der mit Leichtigkeit einen Zirkuswagen zieht. Auf seinem Kopf schlägt ein Affe ein Tamburin. Auf dem Wagen hüpft eine Ente, aus den Fenstern lugen ein Löwe und ein Affe. Im Vordergrund winken die Kinder dem Umzug freudig zu. Auch die Bewohner des Städtchens begrüßen die Kolonne. Dem kleinen Jungen gelingt es erst nicht, den Elefanten von dem schmerzenden Nagel zu befreien, aber dann krempelt er die Ärmel hoch, lässt seine Muskeln spielen, und die Operation gelingt. 

Der Mond steht über der Kleinstadt, als der Elefant sich auf Zehenspitzen auf die Suche nach seinem Wohltäter begibt. Auf dem Kirchturm blinzelt eine Eule. Eine Draufsicht lokalisiert den nächtlichen Ausflug. Der Rüssel des Tieres schiebt sich suchend durch ein offenes Fenster in das Kinderzimmer, wo der Junge in seinem Holzbettchen schläft. Mit dem Rüssel flüstert der Elefant ihm etwas ins Ohr. Dann packt er ihn mit dem Rüssel und hievt ihn auf seinen Rücken. Auf dem Weg zum Zirkus kommen sie an einem Zaun mit einer Kreidezeichnung "Friz is dof" vorbei. Das Strichmännchen wird lebendig und blickt ganz erstaunt, als der Schatten des Elefanten mit dem Jungen auf ihn fällt. Verschiedene Blickwinkel wie Totale, Schrägsichten und Nahaufnahmen schaffen ein abwechslungsreiches und kurzweiliges Geschehen.   

Die nächtliche Privatvorstellung im Zirkus Humsti-Bumsti wird ausschließlich von Tieren bestritten. Eine Katze führt einen Dressurakt mit drei Schimmeln vor. Niedliche Mäuschen treten als Balletttänzerinnen auf. Ein Affe gibt den Schlangenbeschwörer. Zwei weiße Geisterhandschuhe klimpern auf einem fliegenden Klavier – als es am Boden zerschellt, gibt es einen Affen frei, der nun an den Klaviersaiten zupft. Schließlich machen sich die weißen Handschuhe selbständig und spielen auch ohne Instrument weiter. 

In einer Art Vision verwandelt sich die Zirkusarena in eine Eisrevue. Schneefrauen tanzen auf Schlittschuhen. Ein runder Ofen kommt hinzu, tanzt mit und speit Feuer. Er umgarnt die Schneefrauen, die rasch dahinschmelzen, auch das Eis schmilzt, und alle versinken im Wasser. 

Hinter einem Gitter erscheint in Nahaufnahme das furchteinflößende aufgerissene Maul einer Katze. Sie lässt sich aber von einem kleinen Mausdresseur zähmen. Sie tanzt ihr gar auf der Nase herum, jongliert an ihren langen Barthaaren. Dann verschwindet sie in ihrem Maul, um kurz darauf unversehrt und triumphierend daraus herauszublicken.

Die unterschiedlichen Darstellungen der Zirkustiere wirken wie eine Leistungsschau des Zeichners. Einige Tiere, wie beispielsweise die Heuschrecke, sind jedoch weniger gelungen. Walt Disneys Tierfiguren und deren Erlebnisse dienten sicherlich als Vorbild – deren Bewegungsperfektion und Tempo sowie die sprudelnden grotesken Einfälle erreicht Stordel jedoch nicht. In der unmittelbaren Nachkriegszeit galt er als Hoffnungsträger des deutschen Zeichentrickfilms. "Er pflegt den Humor als Überwinder und er fühlt natürlich fast spielerisch tiefste Wesenszüge." (Film-Echo, Nr. 32, 1949) An einer anderen Stelle zitiert ihn das Film-Echo mit der Aussage, dass er in der technischen Ausführung seiner Zeichenfilme einfach sein wolle, "humorvoll, aber nicht übergrotesk, ästhetisch und doch lustig." Der Einfall sei für ihn die "Ursubstanz", aus dem dann alles andere entstehe. (Nr. 36, Weihnachten 1949)

Obwohl "Circus Humsti Bumsti" nicht die Perfektion US-amerikanischer Trickfilme erreicht, stellt er doch eine unterhaltsame und humorvolle Erzählung mit einer Vielzahl überraschender Einfälle dar. Der Film lief in Matinee- und Kindervorstellungen mit anderen Kurzfilmen und dem Puppenfilm "Der Riese Tunichtgut" (BRD 1951). Wie viele Kinderfilme wurde er von der Filmkritik nicht beachtet.


Archive
Landesarchiv Berlin, C Rep. 031-01-02, Nr. 297; A Rep. 243-04: 8952 (Kurt Stordel)

Literatur
Berichtigung. In: Film-Echo, Nr. 4, 1.2.1949, S. 49
A. Hptm.: Zeichentrickfilm – heute und morgen. In: Film-Echo, Nr. 32, 10.11.1949, S. 482
Dr. A.K.: Figuren der Phantasie. Hamburgs Zeichentrickfilmer haben große Pläne. In: Film-Echo, Nr. 36, Weihnachten 1949, S. 578
Der Pionier des deutschen Trickfilms... In: Film-Echo Filmwoche Nr. 32, 9.8.1991, S. 22 
Rolf Giesen: Animation in Europe. Boca Raton: CRC Press 2023
https://www.diaf.de/forschung/chronologie-zum-animationsfilm-in-deutschland/chronologie-zum-deutschen-animationsfilm-1930-39/ (16.8.2025)
https://asac.labiennale.org/attivita/cinema/2499 (16.8.2025)

(Oktober 2025)

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