Der Bruch

DDR 1988/1989 Spielfilm

Zeit, so hell wie dunkel


Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 4, 1989


Autor und Regisseur, obwohl beileibe keine "alten Männer", gehören zu den Senioren der Babelsberger Filmemacher. Es gibt nur noch wenige, die Mitte der fünfziger Jahre mit der Filmarbeit begonnen haben. So erscheint es nur natürlich, daß Wolfgang Kohlhaase und Frank Beyer nach ihrer so erfolgreichen Partnerschaft bei der Verfilmung von Hermann Kants "Der Aufenthalt" wieder nach einem gemeinsamen Stoff suchten und ihn in diesem, von Kohlhaase bewahrten, Berliner Nachkriegs-Kriminalfall fanden. Allerdings: Seit "Aufenthalt" sind Jahre vergangen. Die Gefahr der Zeitverluste ist unübersehbar. Die Impulse, aufzuarbeiten und abzuliefern, erscheinen zu schwach, gemessen an den Zeitbedürfnissen und geistigen Prozessen hier und anderswo. (…)

Beyer und Kohlhaase verweisen im Gespräch (vgl. Film und Fernsehen, Heft 1/89) darauf, daß der Fall als aktionsbetonter Kriminalfilm anders hätte erzählt werden müssen, daß es nicht primär auf Berlin als Ort und nicht auf das Krimi-Genre ankam, auch nicht etwa auf eine weitere Information zur jüngeren Zeitgeschichte. Wohl aber auf Begegnung von Charakteren, menschliche Motivationen und Befindlichkeiten, auf Zeitklima und – wichtiges Stichwort – "Beschreibung eines Lebensgefühls". Mir scheint, eine dem DEFA-Film oft vorgeworfene Monotonie und Didaktik der Strukturen hat mit einem Mangel gerade dieses "Lebensgefühls" zu tun, das den Autoren hier so wichtig war.

Wirkung – wichtiger Orientierungs- und Bezugsfaktor: spielerischer Umgang mit Kinomustern und -konstellationen. So etwas wird des öfteren betont und mit jener lauten Lustigkeit betrieben, die im Atelier mehr lachen macht als im Parkett. Das ist hier anders: Der Zuschauer wird angeregt und aufgefordert, zu entdecken und doppelten Spaß zu haben, den an der eigenen Entdeckung und Assoziation und den an der Sache selbst, dem zitierten Klischee oder Typ oder Situationsmuster. Günther Fischers Musik ist gerade unter diesem Aspekt brillant zu nennen; da wird zitiert, parodiert, Zeitklima über den Hörsinn beschworen, ist, ohne je aufdringlich oder billig zu werden: Substanz, Spaß und Genuß… Dabei die Bestätigung und auch Neuentdeckung eines längst durchgesetzten Sängers und Interpreten: Jürgen Walter, ohne Sentimentalität, als Dame-fatale mit rauchiger Altstimme auf der Bühne, als anrührend-komischer, anhänglich-hilfsbereiter Partner im Hinterzimmer mit Vorkriegs-Opel… Auch hier genau gesetzter Witz, Selbstironie und Takt.


Die Bildwelt des Films ist nüchtern-real, aber nicht um dokumentarische Rekonstruktion bemüht. Das ist dem Szenenbild (Dieter Adam) wie der Kostümgestaltung (Christiane Dorst) ebenso zu danken wie Peter Ziesches Kameraarbeit: Ich werde als Zeitgenosse immer an Selbstgesehenes lebhaft erinnert, und dennoch bin ich mir ständig der Kunstebene von Bild und Szene bewußt; was nie bemühte Überhöhung oder Distanz bedeutet, sondern Teil des Genusses – des im wahren Wortsinn Unterhaltungswertes – ist. Dies ist natürlich ein Schauspieler-Film. Am wertvollsten ist seine Ausgewogenheit. Die jungen Debütanten Volker Ranisch und Thomas Rudnick (als die auf verschiedene Weise und konträren Seiten in den Fall verwickelten Jungen) und die vergleichsweise noch wenig bekannten Schauspieler Jens-Uwe Bogadtke und Gerhard Hähndel (als neugebackene Kriminalisten) bestehen voll neben und mit den Stars der Besetzung: Götz George, Rolf Hoppe und Otto Sander als Gaunertrio (…)

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