Im Namen des Volkes

BR Deutschland 1974 Dokumentarfilm mit Spielhandlung

Inhalt

Ottokar Runzes dokumentarischer Spielfilm zeigt, wie Insassen der Strafanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel in einem fiktiven Prozess versuchen, einen Mord aufzuklären, für den drei ihrer Mitgefangenen zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurden. Die inszenierte Wahrheitssuche bildet den Ansatz für eine Art Gruppentherapie, in deren Verlauf die Konstruktion gesellschaftlicher Rollen und Funktionen transparent wird.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Etwas sehr Bezeichnendes geschah bei der Erstausstrahlung des dokumentarischen Spielfilms „Im Namen des Volkes“ von Ottokar Runze, programmatisch am Buß- und Bettag des 17. November 1976, in der ARD: die Ansagerin (für die jüngere Generation: ein inzwischen ausgestorbener Medienberuf) bat die Zuschauer zur Primetime um 20.15 Uhr, denjenigen Darstellern aus der nur „Santa Fu“ genannten Haftanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel, die sich inzwischen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe eine neue Existenz aufgebaut haben, durch die Ausstrahlung des Ende Juni 1974 im Wettbewerb der 24. Berlinale uraufgeführten und am 7. November 1974 in allerdings nur wenigen Kinos gestarteten Zweistünders keine Nachteile erwachsen zu lassen.

Diese Bitte allein dokumentiert bereits, was an unserem Strafvollzug, bei dem 80 Prozent aller Entlassenen rückfällig werden, und vor allem an der Einstellung der Bevölkerung zu entlassenen Strafgefangenen faul ist. Und offenbar immer schon faul war, beginnt Ottokar Runzes Pressetext doch mit einem Zitat Bertolt Brechts: „Die Vorliebe des Bürgertums für Räuber erklärt sich aus dem Irrtum: Ein Räuber sein kein Bürger. Dieser Irrtum hat als Vater einen anderen Irrtum: Ein Bürger sei kein Räuber. So ist also kein Unterschied? Doch: ein Bürger ist manchmal kein Feigling.“

„Keine Szene dieses Films ist probiert, keine Einstellung ist mehr als einmal gedreht worden“: Ottokar Runzes dritter Film fragt danach, wie Gerichtsurteile zustande kommen und wer diese Urteile fällt. Im 1971 in Bremen real verhandelten Fall dreier Mörder kamen Richter und Geschworene aus Bevölkerungsschichten, die sich nicht auskannten in den Denk- und Verhaltensmustern des Milieus der Angeklagten. Der Filmemacher hat versucht, die Kluft zwischen Gesellschaft und Gefangenen zu überbrücken, indem sich die zu lebenslanger Haft verurteilten Raubmörder Michael Erdmann, Wolfgang Janorschke und Werner Bartelt selbst verkörpern. Darüber hinaus sind auch die Richter Fred Reisewitz und Gerd Siekmann, der Rechtsanwalt Hajo Wandschneider, der Staatsanwalt W. und die Schöffen Insassen der Strafanstalt von Direktor Dr. Heinz-Dietrich Stark.

Runzes Versuch eines Wechselspiels aus gestellter Gerichtsszene und Reflektion aller Beteiligten zeigt allerdings, dass ein gerechtes Urteil zu fällen selbst für die unmöglich ist, welche aus dem gleichen Milieu kommen. Weshalb am Ende kein Urteil gefällt wird. Was folgert daraus? Wie sollen die Richter, die Schöffen, die Geschworenen zusammengesetzt sein? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, Milieu und Vorleben der Angeklagten „gerecht“ oder wenigstens angemessen in das Strafmaß einzubeziehen?

Runze im Pressetext: „So wie in diesem Film Gefangene sich mit dem Komplex Tat, Schuld, Sühne auseinandersetzen, wie sie nach Gerechtigkeit suchen, so sollte die Gesellschaft den Versuch unternehmen, den Nährboden für Verbrechen zu beseitigen, und so sollte sie sich darum bemühen, den einmal straffällig Gewordenen nicht aus ihren Reihen auszuschließen.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
3516 m, 129 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 03.07.1974, 46646, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung: 07.11.1974

Titel

  • Originaltitel (DE) Im Namen des Volkes

Fassungen

Original

Länge:
3516 m, 129 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 03.07.1974, 46646, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung: 07.11.1974

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 1974
  • Filmband in Silber, Bester programmfüllender Film ohne Spielhandlung
Berlinale 1974
  • Silberner Bär