Tartüff

Deutschland 1925 Spielfilm

Becces Tartüff-Musik



W. L., Film-Kurier, Nr.32, 6.2.1926
Man muß den "Tartüff"-Film teilweise mit geschlossenen Augen genießen, um feststellen zu können, wie fein und charakteristisch die Begleitmusik Guiseppe Becces die Personen und die Handlung untermalt. Kaum haben wir das graziöse Getrippel der Rokokodienerschaft vernommen, da setzt auch schon das salbungsvolle Choralmotiv mit parodistischer Breite ein, welches uns das Nahen des Titelhelden verrät. Aus jeder Szene hört man förmlich heraus, mit wieviel Liebe und feinstem Einfühlen in die Ideenkreise von Filmdichter und Regisseur Dr. Becce seine Partitur geschaffen hat.

Der Komponist hat sich mit seiner Begleitmusik an das Typische der Heuchlergeschichte gehalten und überall da feine musikalische Lichter aufgesetzt, wo es die Situation erforderte. Die Person des "Tartüff" selbst hat zwei Motive bekommen, welche in falschen Quinten und Oktaven treffend den Charakter des Heuchlers beleuchten. Das eine Motiv ist die Variation des Chorals "Vom Himmel hoch, da komm" ich her", unter dem der "Held" klotzig breit die Treppe heruntersteigt. Das zweite Motiv schildert ihn, wie er heuchlerisch fromm mit dem Gebetbuch vor der Nase auf und ab spaziert. Dafür hat Dr. Becce die Form der alten Kirchenkadenz gewählt, welche mit feiner Ironie die ölige Bigotterie dieses raffinierten Schleichers kennzeichnet. Einer der entzückendsten musikalischen Einfälle ist im letzten Akt, wenn der betrogene Ehemann sich am Tartüff mit einer Ohrfeigensalve rächt, die musikalisch durch das wuchtig und breit auseinandergezerrte "Vom Himmel hoch" taktmäßig illustriert wird.

Nun gibt es noch ein drittes Heuchlermotiv für die "Tartüffin" der modernen Rahmenhandlung, das ebenfalls mit falschen Quinten reichlich ausgestattet ist. – Von den Hauptmotiven ist noch das der geschäftig eilenden Dienerschar zu erwähnen, als sie zum Empfange ihres Herren das Schloß aufputzen. Diese Musik ist im Stile der frischen französischen Opernouvertüren gehalten und malt ungeheuer lebendig die Bewegtheit des Filmbildes nach. Zwei weitere Motive hat der Komponist für die zarte Elmire geschrieben, die beide rein lyrisch gehalten sind und einmal die innige Liebe zu ihrem Gatten in lichten Tönen schildern, dann aber auch die wehmütige Entsagung, als sie ihn im Banne des Tartüff sieht. Beide Stücke sind übrigens im Druck erschienen und werden bald im Rundfunk zu hören sein. Auch das sprudelnde Dienermotiv ist von einem Verlag zum Druck erworben.

Äußerst reizvoll ist noch die Teeszene musikalisch illustriert, und zwar in Form einer pikant zierlichen Gavotte, die zuerst ganz fein erklingt, als Elmire den Einladungsbrief schreibt und dann wieder grob, wenn der Tartüff diese Zeilen liest. Flöte und Violine dominieren bei diesem Thema und verleihen ihm die duftige Anmut der morbiden Rokokozeit. – Sehr frisch ist das Marschmotiv gehalten, das den Einzug des Wanderkinos – im modernen Teil – schildert.

Da der Komponist sich selbst um die Einstudierung und Wiedergabe seiner Tartüffmusik bemüht hat, so ist bei den Aufführungen ein harmonisches Ganzes entstanden, das bei dem Zuschauer ungetrübten Genuß hinterlassen hat.

Rechtsstatus