Käthe Kollwitz - Bilder eines Lebens

DDR 1986/1987 Spielfilm

Annäherung und Chronologie


Axel Geiß, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 10, 1987



Die Schauspielerin Jutta Wachowiak auf dem Weg in die Garderobe. Sie nimmt Platz vor dem Spiegel, betrachtet sich prüfend und erinnert – während sich ihr Äußeres unter den Händen der Maskenbildnerin dem der etwa 50jährigen Käthe Kollwitz annähert – Arbeiten, Situationen, Gedanken dieser Frau, deren Lebensbilder sie nicht nur nachvollziehen, sondern so gestalten soll, daß sie für andere, für Filmzuschauer, erlebbar werden; sie fragt sich, ob und wie sie diese Aufgabe bewältigen wird.


Auf solch ungewöhnliche und vielversprechende Art läßt Ralf Kirsten, Autor und Regisseur, "Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens" beginnen. Er weckt damit Erwartungen, denn nicht wenige Kollwitz-Verehrer werden sich gefragt haben, was in einem Spielfilm über die Künstlerin an wesentlich Neuem oder gar Packendem zu erzählen wäre?


Ein Ergebnis, der Konrad Wolf-Verfilmung von Feuchtwangers "Goya" vergleichbar, schien hier von vornherein kaum vorstellbar. Der im besonderen Maße kunstwürdige und kunstträchtige Gegenstand von Roman und Film – die Umbruchsituation, in die ein schon anerkannter, reifer Künstler gerät, sein wahrlich "arger Weg der Erkenntnis", der reich ist an dramatischen Ereignissen und Verwicklungen, und der sich nachhaltig, aber nicht offenkundig und eindeutig im Werk niederschlägt – im Leben von Käthe Kollwitz ist er nicht auszumachen. Das verlief ohne spektakuläre Höhepunkte. Einschnitte, wie der Verlust des Sohnes im ersten Weltkrieg oder die spätere Diskriminierung durch die Faschisten, gehören zu einem Schicksal, das sie mit Tausenden teilt.



Für die künstlerische, filmische Gestaltung ist das weniger ergiebig. Auch alle Zeichnungen und Grafiken, ihre Plakate und Plastiken sind eindeutig und unumstritten, nichts ist unklar oder dunkel, sie ergreifen und bewegen ohne Interpretationshilfen, außerdem sind sie zu populär, als daß Verständnis für sie geweckt werden müßte. Ralf Kirsten mag das ähnlich empfunden haben, und so setzte er weder auf Überbetonung oder Ausschmückung von Ereignissen, noch darauf, Käthe Kollwitz" Arbeiten über Gebühr in den Mittelpunkt zu stellen oder sie gar zu erklären. Er suchte die Bedingtheit und Verknüpfung von Leben und Werk anschaulich zu machen durch Situationen, denen im Leben der Künstlerin eine Schlüsselstellung zukam. Die Nachricht vom Tode ihres Sohnes Peter, der freiwillig und begeistert in den Krieg zog und den sie nicht ernsthaft daran hinderte, wird zum Zentrum eines Handlungskomplexes, die Ermordung Karl Liebknechts und ihre Auseinandersetzung damit zum Kern eines anderen.



Schon in der Auswahl aus den etwa dreißig Lebensjahren, die der Film insgesamt umfaßt, drückt sich das Bemühen aus, dem Werk und der Biographie der Künstlerin durch eine adäquate Filmsprache gerecht zu werden. Noch stärker ist das am unaufdringlichen, gleichsam leisen Ton der Inszenierung zu erkennen, an ihrem unspektakulären, behutsamen Gestus. Dennoch war eine besondere Idee nötig, diese Hommage auch für Kenner und Verehrer von Käthe Kollwitz interessant und ergiebig werden zu lassen. Eine pure Schilderung ihres Lebens und Schaffens hätte wahrscheinlich fast ausschließlich den Effekt erzielt, den ambitionierte und gelungene Filme über Künstler wohl lediglich nebenbei hervorrufen: Nicht-Kenner zur Beschäftigung mit Person und Werk anzuregen.


Deshalb vermutlich hat sich Ralf Kirsten für die bemerkenswerte Variante entschie­den, den Annäherungsprozeß der Darstel­lerin Jutta Wachowiak an ihre Rolle, an Leben und Werk der Dargestellten nicht einfach nur an den Anfang des Films zu stellen, sondern ihn zum strukturbestimmenden Element zu machen, die Episoden durch eine zweite Handlungsebene zu brechen und zu verbinden. Den Zuschauern bietet er damit eine reizvolle Möglichkeit, diese Hinwendung mitzuvollziehen und dadurch das ästhetische Vergnügen am Film zu steigern. (…)

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