Die Ritterinnen

Deutschland 2001-2003 Spielfilm

Die Ritterinnen


Reinhard Lüke, film-dienst, Nr.17, 12.08.2003

Das Leben und Wirken der „68er“ ist inzwischen auch filmisch hinreichend analysiert, verklärt und verteufelt worden. Selbst nachfolgende politische Splitter-Gruppierungen wie Frauen-, Öko- oder Friedensbewegung haben zumindest im Dokumentarfilm ihre Spuren hinterlassen. Hingegen sind die so genannten Autonomen auf Leinwand und Bildschirm bislang kaum in Erscheinung getreten. Was verschiedene Gründe haben mag. Sicherlich aber hängt das Phänomen nicht zuletzt damit zusammen, dass unter dem Autonomie-Begriff höchst heterogene, teils diffuse bis schlicht wirre Vorstellungen subsumiert werden; und wenn Barbara Teufel ihrer Melange aus Spiel- und Dokumentarfilm quasi als Motto voranstellt: „Wir waren sieben. Links. Radikal. Anarchistisch. Zornig. Zärtlich. Zauberhaft!“, dann kündet das (mindestens) von einem einigermaßen hemmungslos erweiterten Politikbegriff und lässt überdies eine nostalgische, autobiografisch gefärbte Rückschau erwarten.

Die Geschichte beginnt im Berlin/ West mit den Ereignissen am 1. Mai 1987 in Kreuzberg, als eine Polizeiaktion gegen ein Straßenfest erstmals zu jenen nächtlichen Krawallen führt, die zu diesem Datum von der autonomen Szene bis heute alljährlich zelebriert werden. Damals hatte der Hauch von Anarchie eine Art Aufbruchstimmung unter der Autonomie- Bewegung zur Folge, die der realen Auseinandersetzung mit den Repräsentanten von (Schweine-)Staat und Kapital einen gehörigen Schub verlieh. In dieser Situation kommt die junge Bonnie aus einem schwäbischen Provinznest nach Kreuzberg und findet Unterschlupf in einer WG, in der eine Jugendfreundin von ihr lebt. Weil die ehemalige Fabriketage an der Ritterstraße liegt, heißen die Frauen in der Szene nur „Die Ritterinnen“. Bonnie macht sich mit den Regularien des (Zusammen-)Lebens in der Szene vertraut, eignet sich das Schlagwort-Vokabular von „Kollektivierung“, „Selbstverwaltung“ und „Geschlechterkampf“ an und wird binnen kürzester Zeit zur Aktivistin der WG. Diese verschreibt sich politisch dem Protest gegen den IWF-Gipfel/ Weltbank-Tagung 1988 in Berlin, hat aber ansonsten vornehmlich mit sich selbst zu tun.

Denn obwohl man die zwei an sich pflegeleichten männlichen Mitbewohner kurzerhand herausgeschmissen hat, sind die sieben Ritterinnen reichlich damit beschäftigt, ihre privaten Gelüste mit ihren Überzeugungen in Einklang zu bringen. Wobei die Lesben im Sinne der Political Correctness fein raus sind, während sich die Heteros entsprechend schwer tun, Kopf und Bauch miteinander abzustimmen; zumal Liebe offiziell nur als kleinbürgerliche Verschleierung des Geschlechterkampfes gilt. Schließlich wird auch Bonnie zwischen Frauensolidarität und ihrer Verliebtheit in einen Autonomen schwer hin und her gerissen. So bewegen sich die Ritterinnen in ihrem revolutionären Alltag mit Aktionsbündnissen, Plenen, Flugblättern und Manifesten fortwährend zwischen Kampf und Krampf, bis der Mauerfall die WG und ihre Utopien auseinanderbrechen lässt. Einige werden von der Spiritualität ergriffen und gehen nahtlos von der AntiFa- zur Körperarbeit über, andere liebäugeln mit einer Radikalisierung in Form der Revolutionären Zellen, und Bonnie beginnt ein Studium an der Filmhochschule.

Diese Ereignisse werden in Spielsequenzen inszeniert, die den überwiegenden Teil des Films ausmachen. Dabei gelingt es der Regisseurin mit Hilfe quasi-dokumentarischer Mittel wie einer verwackelten Kamera, spärlicher Ausleuchtung und stimmiger Ausstattung (wunderbar zugemüllte Küchentische), einen authentischen Eindruck von der Atmosphäre jener Jahre zu vermitteln. So bewegt sich das Ganze durchaus unterhaltsam zwischen Rückblick und (teils unfreiwilliger) Komik, ohne dass die Ideale und Überzeugungen von einst weder vorsätzlich verklärt noch der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Logisch, dass die ständigen Diskussionsrunden mit den immer wiederkehrenden Argumenten und Empfindlichkeiten zunehmend auf den Wecker gehen. Aber so war es vermutlich – damals in Kreuzberg. Wären da nur diese Spielsequenzen mit den unbekannten, aber überzeugenden Darstellerinnen, gäbe es an dem Film wenig zu bemängeln.

Die Probleme beginnen damit, dass Bonnie das Alter Ego von Barbara Teufel ist. Dass sich die Regisseurin hier rückblickend als – nach landläufigen Kriterien – eindeutig attraktivste Frau des Septetts inszeniert, die in ihrer Widersprüchlichkeit zugleich als Sympathieträgerin fungiert, ließe sich noch als Eitelkeit abtun; schwerer tut man sich schon mit dem Off-Kommentar, in dem Bonnie/Teufel als Ich-Erzählerin die damaligen Ereignisse aus heutiger Sicht kommentiert. Da klingt zwar hin und wieder ironische Distanz („Theoretisch hatte ich auch was gegen die Monogamie“) an, dennoch herrscht hier der Tenor vor, dass es damals nicht nur eine tolle Zeit war, sondern es sich auch um eine politisch eminent wichtige Bewegung gehandelt hat. Eingeschnittene Archivbilder von Protesten gegen die IWF-Tagung verstärken zudem einen Authentizitätsanspruch, den der Film kaum einzulösen vermag. Gänzlich redundant nehmen sich die aktuellen Interview-Sequenzen mit ehemaligen Mitbewohnerinnen aus, schon weil sie allesamt den Idealen von einst mehr oder minder verhaftet geblieben sind und sich die reflexive Auseinandersetzung mit jenen Jahren in Grenzen hält.

„Das war so echt das Feeling von Aufstand“, erinnert man sich unter alten Plakaten und blättert in Ordnern mit Flugblättern aus jener Zeit. Und immer dabei: Sten. Jenes IKEA-Regal, das schon die Autonomen-WG zierte und nun Ordner mit Aufklebern wie „Migration“ oder „Zensur“ trägt. Zu erfahren, wie es jeder der Frauen nach der gemeinsamen Zeit ergangen ist, hätte eine spannende Sache sein können, doch hier bleibt es bei der nostalgischen Rückschau. Man wird das Gefühl nicht los, dass sie diese Geschichte irgendwann auch ihren Enkeln noch genau so bruchlos und humorfrei erzählen werden.

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