Eolomea

DDR 1971/1972 Spielfilm

Geheimnisvolle Signale aus dem All


Hans-Dieter Tok, Leipziger Volkszeitung, 29.9.1972


Am Tag seiner Berliner Premiere wurde diesem utopischen Film der DEFA eine begehrte Trophäe verliehen: Die UNIATEC, die Vereinigung filmtechnischer Verbände, die vier Tage lang in Berlin ihren X. Kongreß abhielt, zeichnete ihn mit dem Grand Prix, dem Großen Preis, ihres nunmehr achten internationalen technischen Filmwettbewerbes aus. Das bedeutet, daß dieser 70-mm-Farbfilm über vorzügliche technische Qualitäten verfügt, also in bezug auf Kamera, Trick und Ton außerordentliche Leistungen und Lösungen aufweist.

Diese internationale Bestätigung macht allerdings nicht den alleinigen Wert des Films aus. Gegenüber seinen beiden thematischen Vorgängern "Der schweigende Stern" (1960) und "Signale – Ein Weltraumabenteuer" (1970) weist er etliche Vorzüge auf. Der bulgarische Drehbuchautor Angel Wagenstein ("Sterne", "Goya", "Der kleine Prinz") nutzt eine herkömmliche, kriminalistisch-abenteuerliche, mitunter allerdings auch unübersichtliche und verworrene Fabel – acht Raumschiffe verschwinden auf geheimnisvolle Weise; Wissenschaftler wie Kosmonauten mühen sich darum, diesem Rätsel auf die Spur zu kommen – um im "utopischen Gewand" über höchst gegenwärtige philosophische Belange zu meditieren. (…)

Dominierten in "Der schweigende Stern" und "Signale" die Technik, das äußere Zukunftsbild, erschien der Mensch ungerechtfertigt klein und starr, mehr Typ denn Charakter, so dringt Wagenstein in die Psyche seiner Helden ein, erzählt er ihre bewegenden Geschichten und Geschicke – so von dem alten erfahrenen, gütigen Lotsen Kun, der pflichtbewußt im All seinen Dienst versieht, sich aber auf die Erde, zu seinem Sohn zurücksehnt, so von dem schöpferischen, vorwärtsdrängenden Professor Tal, der im zweifelhaften und kritikwürdigen Alleingang das Eolomea-Rätsel lösen will, so von dem leger-burschikosen Kosmonauten Daniel Lagny, der seinen Beruf über hat, doch ohne große Worte dabei ist, wenn neue Kosmonauten-Dimensionen zu erobern sind. Hier werden blutvolle Menschen in konfliktreichen Bewährungssituationen, fordernden Verhaltensweisen lebendig, quasi Zeitgenossen von morgen.

Herrmann Zschoche, dem Regisseur, gelang es weitgehend, ihre Geschichten und Verhaltensweisen anteilnehmend zu schildern. Nicht immer fand er jedoch dem anspruchsvollen (wenn auch nicht makellosen) Drehbuch gemäße künstlerische Lösungen. Er zeichnet ein gar lackiert-idyllisches, ganz und gar unwirklich anmutendes Bild unserer morgigen Erde, in dem sich Liebe und Miteinander ziemlich kühl und gekünstelt ausnehmen. (…)

So deutet der Film auch auf jenen Widerspruch, der einem Großteil unserer utopischen Literatur eigen ist: Für sie ist das Morgen nur identisch mit Weltallerforschung, Raumschiffen, fernen Planeten; der irdische Alltag, das künftige Leben auf unserer Mutter Erde erscheinen zweitrangig nebensächlich. Sicher: "Eolomea" erschließt dem utopischen Film Neuland – in seiner klaren philosophischen Fragestellung ebenso wie in seiner Menschenzeichnung –, weist aber zugleich nachdrücklich darauf hin, daß es noch vieler ideeller wie künstlerischer Anstrengungen bedarf, den utopischen Stoff irdischer, realistischer, eben menschlicher aufzubereiten, nicht nur vordergründige Spannung schlechthin zu bieten, sondern echte, nützliche Bezüge zu ihm aufkommen zu lassen.

Es bleibt abzuwarten, wie sowjetische und bulgarische Filmkünstler, die sich in letzter Zeit gleichfalls dieses bislang vernachlässigten Genres annahmen – so in dem Cannes-Preisträger "Solaris" –, unser Morgen sehen und gestalten. Erst in diesem Bezug dürfte "Eolomea" in all seinen Vorzügen wie Schwächen real zu bewerten sein.

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