Die Nibelungen. 2. Teil: Kriemhilds Rache

Deutschland 1922-1924 Spielfilm

Der Nibelungenfilm im Astoria


Leander, Der Drache, Nr.15, 24.6.1924


Du kennst die deutsche Seele nicht! Des Nibelungenfilmes zweiter Teil wird sie dir offenbaren, sofern Du im "Siegfried" noch nicht genügend mit ihr Bekanntschaft gemacht haben solltest. Doch Spaß beiseite, kaum je bin ich aus einer Filmaufführung so deprimiert nach Hause gegangen, wie am Freitag nachmittag aus "Kriemhilds Rache" (Astoria). Fritz Lang, der geniale Regisseur von "Der müde Tod", hat schon mit "Siegfried" klar gezeigt, was durch eine großzügige Technik aus einem Film zu machen ist; dieses Verdienst sei ihm neidlos zuerkannt. Aber gleichzeitig hat bereits der erste Teil des Nibelungenfilms bewiesen, was die Filmkunst nie erreichen wird: Die Lebendmachung vergangener Zeiten. War auch "Siegfried" nicht ganz so lächerlich wie beispielsweise der "Helenafilm", so war doch klar, daß der historische Film eine Unmöglichkeit ist; moderne Menschen können selbst in mittelalterlicher Umarmung immer nur ein modernes Gesellschaftsdrama darstellen. In "Kriemhilds Rache" artet dieses zum mittelalterlich aufgezogenen Wildwestfilm aus. Die im Astoria anwesenden Jugendlichen jauchzten denn auch immer hell auf, wenn Mord und Totschlag über die Leinwand rollte. Warum verbietet die Polizei nicht den Zutritt der Minderjährigen? Zum Nibelungenlied kann man verschieden stehen. Als ich es in der Schule lesen mußte, war mein Interesse für mittelhochdeutsche Sprachstudien sehr gering – übrigens ist das heute auch noch so –: aber schon damals schien mir jeder zureichende Grund für den tragischen Massenmordausgang zu fehlen. Heute, – nachdem ich diese deutsche Angelegenheit verfilmt gesehen habe, weiß ich erst recht nicht, warum zum Schluß so furchtbar viele Leichen herumliegen müssen. (...)

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