Sylvester

Deutschland 1923/1924 Spielfilm

Sylvester


hfr., Lichtbild-Bühne, Nr. 1, 5.1.1924


In diesem Werke ist der Versuch gemacht, rein seelische Vorgänge bildhaft zu gestalten und das bei der Konzeption der Dichtung – dieses Wort wird hier mit vollem Bewußtsein gewählt – vorherrschende Gefühl durch rein optische, also ganz und gar "filmische" Mittel im Beschauer zu rekonstruieren.

Fabel. Drei Menschen leben aneinander vorbei. Ein Mann. Seine Frau. Seine Mutter. Beide Frauen, in übergroßer Liebe, zerren an ihm. Da geht er aus dem Leben.

Inszenierung. Den Grundgedanken dieses Gedichtes bildhaft zu machen, gab es für den Regisseur Lupu Pick nur einen Weg. Er mußte sich ganz auf das Wesentliche konzentrieren. Auf das Nichtverstehen der Menschen. Auf ihr Aneinandervorbeirennen. Auf das Strindberg-Motiv "Es ist schade um die Menschen". – Aus diesem Gedanken heraus schuf er zu den drei Gestalten der Dichtung die vierte und wichtigste: die sinnlose Masse großstädtischen Silvestertrubels, den Hintergrund vor dem das seelische Erlebnis der drei Menschen geschieht und Form gewinnt. Diese dem ganzen Werke Rhythmus gebende Atmosphäre zu treffen, ist der Regie völlig geglückt. Freilich könnte der an sich schon kurze Film, dem aber äußerste Konzentration unerläßlich ist, noch weitere Schnitte (besonders am Schluß) vertragen.

Manuskript. Carl Mayers Manuskript verdient gesonderte Beachtung, nicht, weil es das erste im Druck (im Kiepenheuer Verlag) erschienene Drehbuch ist, sondern, weil es, nicht zuletzt durch seinen Stil, auch dem Leser dieselbe Stimmung zu vermitteln vermag, wie dem Beschauer das Bild.

Darstellung. Die für die Verkörperung der drei Gestalten gewählten Darsteller, Eugen Klopfer, Edith Posca und Frieda Richard wußten den Intentionen des Regisseurs durchaus zu genügen und sich in der Auffassung ihrer Rollen dem Stil des Ganzen einzupassen.

Photographie. Musterhaft schön ist dieser Film in der Beleuchtungstechnik und der von Guido Seeber geleiteten Photographie; die von dem Manuskript verlangten gleitenden Vor- und Seitwärtsbewegungen wurden durch die interessante (hier schon glossierte) Konstruktion eines Aufnahmewagens ermöglicht, durch den die Kamera fahrbar wurde.

Musik. Ein besonderes Wort des Lobes der ausgezeichneten, von Klaus Pringsheim komponierten Begleitmusik des Werkes, die sehr viel zur Erzielung der gewünschten Stimmung beitrug.

Auswertung. Der Film wendet sich ja, seiner ganzen Natur nach, vor allem an die "literarisch" anspruchsvolleren Schichten des Publikums, was von dem Theaterbesitzer gebührend berücksichtigt und ausgewertet werden sollte. Für das Provinzgeschäft sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, auf die Darstellung großstädtischen Silvesterlebens hinzuweisen.

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