Auf dem Sprung

DDR 1983/1984 Spielfilm

Sprung ins Aus



Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 6, 1985

Ein Filmkritiker ist auch nur ein Mensch: er bedauert, wenn er sehen muß, wie ein Talent, auf das er einige große Stücke hielt so kräftig und so total daneben greift, wie das Evelyn Schmidt mit ihrem neuen Film Auf dem Sprung tut. Aber es wäre unredlich und unserer Filmkunst abträglich, wenn man nicht einen Fehlgriff einen Fehlgriff nennen würde. Ehrlich und höflich muß ich sagen, daß dieser Film ein Fehlgriff ist, ein schlimmer noch dazu. Er hat eine gute und gutgemeinte Absicht, aber alles an der Umsetzung dieser Absicht ist lau, inkonsequent, dilettantisch, unkünstlerisch. Die Beweggründe z. B., weshalb Filmfiguren etwas tun, erkennt man nicht. Sie werden nicht gezeigt, bestenfalls irgendwo im Dialog verbal mitgeteilt – das geht nicht im Film, der ja doch mehr zeigen und weniger bereden sollte. Von Verallgemeinerbarkeit oder exemplarischer Bedeutsamkeit der Handlung, von Identifizierungs- oder "Abgrenzungs"-Angebot an den Zuschauer, von nützlichen Einblicken in alltägliches Leben – von alledem, was DEFA-Filme heutzutage leisten können und sollten (und die besten auch leisteten, Evelyn Schmidts eigenes Debüt "Seitensprung" und ihre erste Fernseharbeit "Lasset die Kindlein…" eingerechnet) ist kaum etwas auf der Leinwand wirklich zu sehen.

Daß da ein junger Mann ausflippt, seinen lang und heiß angestrebten Physik-Studienplatz aufgibt und Heimerzieher wird (urplötzlicher gehts nimmer!), daß er mit Mühen lernt, die neue selbstgestellte Aufgabe allmählich, zu meistern, daß entwurzelte Kinder Hilfe und Wärme brauchen – wen spricht das wirklich an, wenn alles ohne Motivationen, sprunghaft und mit vielen Dunkelstellen einschließlich Langweiligkeit erzählt wird!?

Auch die sehr jungen Darsteller, die sich sichtlich Mühe mit ihren disparaten Rollen geben, vermögen nichts zum Guten zu wenden. Wirklich frisch und angenehm empfand ich nur die Szenen mit den spielenden und raufenden Heimkindern. Dafür freilich ist der Aufwand eines abendfüllenden Spielfilms doch wohl zu groß. Vielleicht ist es vermessen und unreal, von jeder Begabung in unserer Kunst bei jedem neuen Werk einen nächsten Schritt, ein weiteres Aufblühen der Begabung erwarten zu wollen. Auch können Talente wohl Umwege machen oder einmal in die Irre gehen. Aber diesen eklatanten Fehlgriff hätten Evelyn Schmidt und ihre Berater schon beim Buch erkennen müssen. Mit diesem Film tat man keinem einen Gefallen, mit Bedauern sei"s gesagt.

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