Ulzana

DDR 1973/1974 Spielfilm

Abenteuer und Historie. "UIzana"


Friedrich Salow, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 12, 1974


Der Indianerfilm der DEFA nahm seinen Anfang mit einer Verfilmung des Romans "Die Söhne der großen Bärin" von Liselotte Welskopf-Henrich. Diese Adaption ließ zwar einiges von den Qualitäten der literarischen Vorlage vermissen, doch spiegelte sich noch deren dichterischer Gehalt, die Phantasie und psychologische Vertiefung der Figuren wider. Inzwischen liegen mit "Ulzana", dem neuesten Film dieser Richtung neun Titel vor, die insgesamt von der Sorgfalt zeugen, die die DEFA aufgewandt hat. Das trifft sowohl auf die Auswahl der Schauspieler, als auch auf die Bildgestaltung, die ausgesuchten Landschaften, die Dekorationen und die Kostümentwürfe zu. Bedeutende Filmkomponisten erprobten sich in indianischer Folklore und Westernmelodien. Das Publikum, dem abenteuerlichen Genre entsprechend vorzugsweise junge Menschen, füllte die Kinos, der Schauspieler Gojko Mitić wurde und blieb einer der populärsten Schauspieler, und die Kritik konstatierte wohlwollend das Positive, das ja auch rechtens angemerkt werden konnte. Sie erwähnte aber auch oft genug am zutreffenden Gegenstand das soziologisch-historisierende Herangehen an die Filmfabeln sowie die mangelnde stilistische Ausprägung in der Gesamtgestaltung.

Blickt man heute zurück, so hat die DEFA mit Kontinuität ein Kapitel – und zwar eines der finstersten – der amerikanischen Geschichte mit künstlerischen Mitteln dokumentiert. Sie hat den imperialistischen Völkermord, als dessen jüngstes mahnendes Beispiel der Vietnamkrieg in bedrückender unauslöschlicher Erinnerung ist, durch Exkurse in die indianische Geschichte entlarvt und so eine wichtige aufklärende Funktion erfüllt.


Der neue Film "Ulzana" ordnet sich in diese positive Tradition ein, setzt sie fort. Seine Autoren (Buch: Gojko Mitić, Gottfried Kolditz) versuchen, die Grenzen des bisherigen Handlungsschemas zu überwinden, so ist der hier gezeigte Bau von Bewässerungsanlagen durch vorher nomadisierende Prärieindianer und der damit verbundene Beweis ihres "Sich-selbst-aus-der-Gentilordnung-Herauskatapultierens" (Kolditz), ihre Fähigkeit also, sich fortgeschrittenen Produktionsverhältnissen anpassen zu können, durchaus ein Gesichtspunkt, der ein Weiterdenken innerhalb des Genres verrät. Dennoch verbleiben sie in einer schematischen Figurenkonstellation. Die Indianerseite, auf der das Schicksal Ulzanas und seiner Frau Leona (Gojko Mitić und Renate Blume) schon recht individualisiert erzählt wird, ist konfrontiert mit einer Gruppe von weißen Geschäftsleuten, Militärs und Gaunern, die in sich relativ anonym bleibt. Die kapitalistische Handlungsweise wird nicht in einem persönlichen Schicksal verdichtet. So nimmt sich der Film selbst die Möglichkeit zugespitzter dramatischer Zusammenstöße, die Gegner der Indianer müssen sich bemühen, ihre Beweggründe verbal verständlich zu machen.

Dem Vernehmen nach ist "Ulzana" der zunächst letzte Indianerfilm aus Babelsberg. Sicherlich wird nach neuen dramaturgischen Formen gesucht werden müssen, Versuche wie zum Beispiel Arthur Penns "Little Big Man" sind zu analysieren, und auch im eigenen Lande gibt es Romanautoren, denen es gelang, Indianerschicksale über die Jahrzehnte hinweg bis in die fast jüngste Gegenwart zu führen mit Spannung und psychologischem Reichtum. Auch diese Erfahrungen wird es zu verwerten gelten, wenn die Serie der Indianerfilme eines Tages wieder aufgenommen werden sollte.

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