Darstellerin
Berlin (Ost)

Hart oder zart

Die Berliner Schauspielerin Fritzi Haberlandt weiß, wo es langgeht

 

Von Wilhelm Roth, epd Film, Nr. 3, 2004

Ein eher eckiges Gesicht, was auch an den seltsam asymmetrischen Frisuren liegt, die sie gerne trägt, eine etwas breite, leicht nach oben weisende Nase - nein, Glamour strahlt Fritzi Haberlandt nicht aus, und dennoch ist sie ein Star des Hamburger Thalia Theaters. Auch ihre Figur entspricht nicht dem üblichen Schönheitsideal, sie ist dünn, aber nicht zerbrechlich, im Gegenteil, auf der Bühne zeigt sie eine fast unheimliche Energie, auch dem einsamen Kraftprotz Liliom ist sie gewachsen. Michael Thalheimers zunächst umstrittene, später gefeierte Inszenierung von Franz Molnars "Liliom" war Ende 2000 Haberlandts Start am Thalia Theater, aber schon im selben Jahr hatte sie ihren ersten großen Kinoerfolg mit "Kalt ist der Abendhauch" nach Ingrid Noll.

Geboren 1975 in Ostberlin, 1991 nach Hamburg umgezogen, wurde ihr Interesse am Theater durch Robert Wilsons "Black Rider" geweckt, den sie am Thalia Theater sah. Die Aufnahmeprüfung an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin schaffte sie auf Anhieb und traf dort nun selbst auf Wilson. Ihr erstes Engagement an einem deutschen Stadttheater bekam sie in Hannover, wo sie in "Minna von Barnhelm", inszeniert von Tilman Gersch, als freche Dienerin Franziska ihrer Herrin Minna mindestens ebenbürtig war. Ulrich Khuon, der dortige Intendant, engagierte sie dann nach Hamburg, als er die Leitung des Thalia Theaters übernahm.

Dort spielte sie vor allem bei den eigenwilligsten Regisseuren des Hauses, Michael Thalheimer und Armin Petras. Haberlandt war bei Thalheimer die Julie in "Liliom", Luise in "Kabale und Liebe", Mizi in "Liebelei", Marie im "Woyzeck", und am 28. Februar hatte sie Premiere als Lulu in Wedekinds "Die Büchse der Pandora". Meist Frauenfiguren am Abgrund - leidend, vereinsamt, oft dem Tod ausgeliefert. Fritzi Haberlandt spielt diese Rollen nicht virtuos, sondern reduziert, mit radikalen Gesten. Sie zieht sofort die Blicke auf sich, wenn sie die Bühne betritt; sie kann hart wirken, aber auch sehr verletzlich, sie braucht nur die Schultern hochzuziehen, und schon weiß man, wie es um sie steht.

Aber sie kann auch ganz anders. In Fritz Katers Stücken "Fight City. Vineta" und "zeit zu lieben zeit zu sterben", komisch-tragischen Reminiszenzen an das Leben in der DDR, inszeniert von Armin Petras, ist sie eine hinreißende Komödiantin. Sie wirbelt über die Bühne, singt wie ein Musicalstar und ist hier jenem Teil ihres Wesens, das sie nie verleugnet oder abgelegt hat, besonders nah: der Berliner Göre, die weiß, wo es langgeht.

Ihren ersten Kontakt mit dem Kino hatte Fritzi Haberlandt 1999 in "Die Braut", Egon Günthers Hommage an Christiane Vulpius, Goethes Geliebte und spätere Frau. Die Schauspielschule hätte sie auf die Filmarbeit gar nicht vorbereitet, hat sie kritisch angemerkt; als Christianes Schwester Ernestine überspielte sie aber dieses Handicap ganz gelassen, erfreute die Zuschauer mit ihrem lockeren, frechen Mundwerk. Eine weit schwierigere Aufgabe war dann "Kalt ist der Abendhauch", die über 70 Jahre gehende Liebesgeschichte zwischen Hugo und Charlotte. Haberlandt, die junge Charlotte, muss einen Zeitraum von 14 Jahren bewältigen, sie hat die Entwicklung darzustellen von der noch naiven 16-Jährigen zur selbstbewussten Frau von 30, und das gelingt ihr sehr überzeugend.

Obwohl Fritzi Haberlandt betont, dass das Theater für sie im Zentrum steht und der Film nur eine schöne Nebenbeschäftigung ist, hat sie in jüngster Zeit gleich zwei Filme gedreht, "Liegen lernen" von Hendrik Handloegten (epd Film 9/03) nach dem Roman von Frank Goosen und Erbsen auf halb 6. In "Liegen lernen" spielt sie Gisela, die ernsthafteste jener Frauen, die dem bindungsunfähigen Helmut begegnen und die er alle wieder verliert. In Lars Büchels "Erbsen auf halb 6" hat sie ihre bisher größte, komplizierteste und schönste Filmrolle: als Therapeutin, die Menschen, die blind geworden sind, helfen soll, wieder ins Leben zurück zu finden. Lilly ist selbst seit ihrer Geburt blind, sie hat gelernt, mit den Ohren oder dem Tastsinn zu "sehen". Ihr Patient Jakob, ein Theaterregisseur, der gerade durch einen Autounfall sein Augenlicht verloren hat, verweigert zunächst jede Hilfe. Mit der Zeit aber kommen sich die beiden näher, es beginnt eine der ungewöhnlichsten Liebesgeschichten des jüngeren deutschen Kinos.

Fritzi Haberlandt verkörpert die Rolle der Blinden nach gründlicher Vorbereitung unaufdringlich und ohne jede Sentimentalität. Vor allem aber wird ihr Gesicht zum Ereignis. Sie, die gewohnt ist, im Theater auf Distanz zu spielen, arbeitet hier mit Nuancen: Zorn, Verzweiflung, Zuneigung, Liebe - meist reicht ein Zucken der Mundwinkel oder ein kleines Lächeln, das auch mal zum strahlenden Lachen werden kann, um die ganze Gefühlsskala zum Ausdruck zu bringen.

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