Metropolis

Deutschland 1925/1926 Spielfilm

Der Stoff "Metropolis"


Hans-Walther Betz, Der Film, Nr. 1, 15.1.1927

Die symbolistische Filmdichtung "Metropolis" ist kein Schicksals-, sondern ein Lebensdrama, das aus einem alltäglichen Winkel der Erde schattenhaft und unentrinnbar emporwächst und von primitivster Alltagsnot und Seelennot zu dem Zuschauer spricht. Über den realen Vorgängen wölbt sich der Himmel, mystisch dunkel und ewig rätselhaft, über Menschenelend und Menschenhoffnung die unerbittliche Fügung eines Erlebens, gewaltig in Wucht und Wirkung.

Thea von Harbou hat alle Ereignisse, die Menschen binden und erfüllen können, in eine Welt gesetzt, die zeitlos und voll zartem, irrlichterndem Märchenschimmer ist, in eine Welt rotierender Riesenräder und aufstrebender Wolkenkratzer. Ihr Reich ist das der ungreifbaren Symbole, die in vollen, schweren Akkorden aufrauschen und zuletzt in eine Harmonie zerfließen, wie sie reiner, schmerzlicher und betörender kaum geschrieben werden konnte.

Da ist ein Mädchen, zart und schwach in ihrer Blondheit, das einen ängstlichen Blick in das Leben tut und ganz eintaucht in das Dunkel nie gelöster Zauberzeichen, die des Daseins verworrenen Sinn mit naivem, aber tief im Empfinden wurzelnden, durch den Gottesdienst der Seele geheiligten Ernst bannen. In ihr wird den stumpfen Menschen der Erde noch einmal die verfemte Welt lebendig, durch sie dringen diesen harten Männern, diesen zerquälten Frauen der Arbeit noch einmal der Weltsehnsucht lockende Töne ins Herz, aber ihr Opfer, das den opfernden Übermenschen selbst auf dem Altar einer nie gänzlich erfaßten, aber gefürchteten und geahnten Gottheit darbringt, siegt über alle Sehnsucht, über alle Liebe und jeden Haß.

Der Übermensch – jener Ingenieur, der sich wahnwitzig verstieg, Schöpfer eines Lebens zu werden, das ohne Lust und Leid durch alle Tage gehen sollte, der in seherischer Entrücktheit ewigen Zielen näher ist als der Haufe dieser Alltagswesen um ihn herum – zerbricht am eigenen Wahn. Sein Maschinenmensch ist der Vernichtung anheimgegeben wie alles, was neben ihm ein natürliches Leben lebt. Sein qualvolles Streben, in einem wandelnden Mechanismus Begriff geworden, reißt alle Schranken des Menschlichen um, entfesselt tiefste Triebgewalten einer taumelnden Menge.

Der Geliebte endlich, der Begüterte, um kein Elend Wissende, wird sehend: die Erkenntnis betäubt ihn. Er ist eigentlich Parzival, der erst durch alle Nöte gehen mußte, ehe er der Liebe bewußt wurde. Aus dem Leben gegriffen, schreckhaft wahr und erhebend schön ist diese Gestalt, eine Vibration des Animalischen, die mit kühner Gebärde das Zepter der Szene schwang.

Diese Menschen von "Metropolis" gehen aneinander vorbei und gehen ein Stück ihres Weges miteinander, sie lassen den dichterischen Gehalt dieses phantastischen Dramas erkennen, sie sind Figuren voll unheimlichen Lebens, in denen sich die Themenproblematik der Verfasserin rechtfertigt.

Was Thea von Harbou hier in vieldeutige Zeichen gebannt hat, ist wohl persönliches Erlebnis des seiner Geschöpfe überdrüssig gewordenen Schöpfers. In dunklen Ahnungen, zu farbenreichen, phantastischen Bildern zusammengedrängt, gestaltet "Metropolis" keine Welt blühenden Lebens, sondern ist eine Dichtung, die seelische Belange in leidenschaftlich bewegten Gefühlen zum Ausdruck bringt. Sie verbirgt mehr der schmerzlichen Wahrheit, als sie enthüllt.

Eine herkömmliche Philosophie ist nicht berufen, die Sonde ihrer Weisheit an ein Filmwerk zu setzen, das voll der gewaltigen Kraft einer Dichtung ist, um es auf seinen Wert oder Unwert zu prüfen. Zuletzt war es Sache des Mimen, jenseits der Harbouschen Gestaltungskraft jene schöpferische Kunst zu bewähren, die einem Werk solcher Ausmaße objektive Geltung verleiht.

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