Der Richter von Zalamea

DDR 1955/1956 Spielfilm

Verfilmte Klassik und mangelnde Voraussetzungen



Klaus Wischnewski, Deutsche Filmkunst, Berlin/DDR, Nr. 6, 1956




Dieser erste Klassikerfilm der DEFA ist ein positiver Schritt unserer Filmkunst zur filmischen Neugestaltung eines dramatischen Werkes. Das Vorfeld ist sondiert, die Abgrenzungen sind bei anderen Gelegenheiten erfolgt, der richtige Weg ist beschriften. Dieser erste Schritt hat noch kein "klassisches" Ergebnis erzielt, wenn auch viele Kritiker das glaubten feststellen zu können. Aber "Der Richter von Zalamea" ist ein Film geworden und kann als Filmwerk in Beziehung zu seiner Vorlage gewertet und untersucht werden.



Martin Hellberg hat mit Leidenschaft und Liebe ein Projekt angepackt, das ihm als Künstler am Herzen lag und das er zu Recht als Kulturpolitiker für notwendig und gut hielt. Er hat dieses Projekt mit geringen Mitteln und in sehr kurzer (wahrscheinlich zu kurzer) Zeit verwirklicht. Das Ergebnis liegt vor. Es ist ein Versuch und will als solcher gewertet sein. Ein gelungener Versuch im Sinne des Nachweises seiner Berechtigung. Unvollkommen im Hinblick auf das Ziel, dem der Versuch dient: klassische Stoffe adäquat zu verfilmen. Der Film spricht in jeder Phase von der beispielhaften Leidenschaft des Regisseurs und seiner von ihr angesteckten Mitarbeiter. Er spricht aber auch davon, daß Liebe und Leidenschaft allein nicht genügen. Von dem, was fehlt, soll im Hinblick auf die bisher erschienenen Kritiken hier vornehmlich die Rede sein, um der weiteren Schritte willen auf dem Wege zu neuen Verfilmungen.



Hellberg blendet nicht Milieu- und Stimmungsbilder in Theaterdialoge ein, um diese "filmisch aufzulockern", sondern versucht beharrlich – die vereinfachende Gegenüberstellung sei erlaubt –, den filmgerecht verknappten Dialog in eine Bilderzählung hineinzukomponieren. Er weiß, und wir wissen es auch gerade von ihm, daß das der richtige Weg ist. Alles hängt davon ab, die richtige Bilderzählung zu finden. Dieses Wort ist hier deswegen am Platze, weil die Grundfabel mit ihrer durchgehenden Handlung durch die dramatische Vorlage gegeben ist.



Gebannt von der Aufgabe, Auftritt und Handeln des bei Calderon als deus ex machina erscheinenden Königs zu motivieren und ihn einer gewissen historisch-kritischen Sicht zu unterwerfen, beginnt Hellberg die Bilderzählung in der Kathedrale von Madrid. In den anschließenden Einstellungen werden Spaniens Land und Leute unter dem Eindruck des großen Truppenzuges gezeigt, wird Don Lope sehr knapp eingeführt, bis die erste dem Stück analoge Szene einsetzt.


Wie weit tritt von diesem Moment an die Bilderzählung wirklich konsequent und geschlossen an die Stelle des dramaturgischen Szenengefüges des Schauspiels? Wie weit also gibt es eine "Bilddramaturgie"? Wie weit dichtet das Bild wirklich anstelle der Dialogszene bzw. über sie hinaus (was nie durch das einzelne Bild, und sei es noch so kühn, sondern nur durch die dramaturgische Einheit erreicht werden kann)? Hellberg erklärt, daß der Originaltext zu neun Zehntel gestrichen sei. Aber man hat als Zuschauer aus verschiedenen Gründen nicht diesen, sondern stellenweise den gegenteiligen Eindruck einer unökonomischen Worthandlung. Ein Grund für diesen Eindruck ist offensichtlich dramaturgischer Art: der Text ist dezimiert, aber das Szenengefüge ist wesentlich erhalten geblieben, so wie es für die Bühne geschaffen worden ist. Natürlich ist das für entscheidende Stationen notwendig, natürlich sind die Szenen häufig filmdramaturgisch, das heißt, absolut chronologisch, verschachtelt worden, natürlich erleben wir Ereignisse, die im Schauspiel nur berichtet werden, unmittelbar mit und sehen den Einmarsch der Truppen und das Lagerleben und vor allem den dramaturgisch wichtigen (und Maßstab gebenden!) wie filmisch interessanten Chispa-Tanz. Aber der Film ist ja nicht Bildkunst statt Wortkunst, sondern eine Kunstgattung, in der Bild und Wort eine andere, neue Ehe eingehen, in anderen Proportionen miteinander wirken. (…)

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