Dr. Mabuse, der Spieler II: Inferno. Ein Spiel von Menschen unserer Zeit

Deutschland 1921/1922 Spielfilm

Dr. Mabuse, der Spieler, 2. Teil


p–s, Vorwärts, Nr. 249, 28.5.1922


Ein Bild der Zeit wollte der erste Teil des breit angelegten Filmwerkes "Dr. Mabuse, der Spieler" sein, der zweite Teil, den man nun im Ufa-Palast am Zoo sah, will Menschen der Zeit schildern. Menschen, die dem machtgierigen Mabuse als Folie dienen, die in seinem Machtrausch verstrickt sind, als seine Kreaturen oder als seine Feinde. Es sind nicht Menschen der Zeit geworden, vielleicht überhaupt nicht Menschen, und nur Phantastereien. Aber gerade durch diesen phantastischen, über die Grenzen der Möglichkeit unbekümmert hinausstürmenden Rhythmus, kommt dieser zweite, zurecht mit "Inferno" überschriebende Teil dem Film und seinen Notwendigkeiten am meisten entgegen. Die Elemente, die schon im ersten Teil gemengt erschienen, kehren hier wieder. Aber die Lockerung im Gefüge, die Häufung an Details ist verschwunden und durch eine, wenn auch unwahrscheinliche, so doch straffe und durchaus spannende Handlung ersetzt.

Der Spieler mit Menschen, Gesetzen und Schicksalen, Dr. Mabuse, verliert durch die Leidenschaft zu einer Frau seine Nervenkraft und damit seine Trümpfe, so daß ihn sein nüchterner Gegenspieler, der Staatsanwalt Wenk, nach manchem gefährlichen Abenteuer überwältigen kann. Freilich, dieser Wenk hat nicht für fünf Pfennig Grütze im Kopf, der Zufall gibt ihm die Waffen in die Hand. Das ist unkünstlerisch, undramatisch und unbefriedigend und wirkt um so unerfreulicher, als gerade der Darsteller des Staatsanwalts schauspielerisch den Darsteller des Dr. Mabuse ganz bedeutend überragt. Der Stimmungsreiz ist so groß, daß auch diese Schwäche im Aufbau des Manuskripts das Interesse nicht zu beeinträchtigen vermochte. Die Premierenzuschauer spendeten dem Spiel brausenden Beifall. Dieser Applausdonner galt wohl zuerst dem Regisseur Fritz Lang und dem Photographen Carl Hoffmann. Denn regietechnisch und photographisch ist auch hier wieder außergewöhnliches geleistet. Das Lastende, Beklemmende oder Trübselige ist mit zwingender Gewalt eingefangen. Gespenstische Visionen formen sich ganz aus den Gesetzen des Kurbelkastens, das im Film zum Schweigen verurteilte Wort wird gewissermaßen ins Photographische übersetzt. Lichtwirkungen von feinster Abstufung und raffinierter Verteilung der Effekte verblüffen. Die Trickaufnahmen beweisen, wie weit man heute über die Wunder der einst so großes Aufsehen erregenden Golemstimmung hinausgekommen ist. In dem ganzen Werk ist keine Spur von Kitsch, und die Szene einer telepathischen Versammlung trägt den Stempel unbändiger Echtheit. Alfred Abel bedeutet den darstellerischen Höhepunkt dieses Lichtspiels. Seine Macht des Wahnsinns hat unheimliche Überzeugungskraft.

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