Musica Cubana

Deutschland Italien 2003/2004 Dokumentarfilm

Musica Cubana

Oliver Rahayel, film-dienst, Nr. 20, 30.09.2004

Bei kubanischer Musik denkt die Welt seit fünf Jahren vor allem an "Buena Vista Social Club" (fd 33 721), an Wim Wenders’ gleichnamigen Film, der den Wirbel überhaupt erst entfachte, und an die zahlreichen Musiker, die es in dessen Windschatten auf die Konzertbühnen und in die Plattenläden rund um den Globus geschafft haben. Bis heute werben kubanische Musiker erfolgreich mit dem "Buena Vista"-Label. Nun legt Wenders nach, als Produzent eines weiteren Dokumentarfilms über kubanische Musik, der auch in jenes berühmte Stadtviertel führt. Einer seiner Filmschüler, der gebürtige Argentinier German Kral, wandte sich aber weniger den Greisen von Son, Rumba und Salsa zu als der jungen Generation kubanischer Musiker. Dass auch sie dem Hype um "Buena Vista" einiges zu verdanken haben, wird an vielen Stellen des Films deutlich. Selbst der "Chan Chan", quasi die Erkennungsmelodie von Wenders’ Film, wird intoniert. Krals Vorgehen ist aber auch formal anders. Seine Entdeckungsreise durch die junge Szene hängt er an einer fiktiven Rahmenhandlung um den Sänger Pio Leiva auf, auch er ein alt gedientes "Club"-Mitglied, und den Taxifahrer Bárbaro. Dieser überredet Leiva dazu, gemeinsam eine Supergruppe mit den interessantesten Musikern zusammen zu stellen, mit Leiva als Star und Bárbaro als Produzent.

Das hätte es nicht gebraucht. All die Spielszenen, die keine sein wollen, die auf Seiten der Musiker Wiedersehensfreude nach langer Zeit suggerieren und spontane Begeisterung unter Passanten und Zuschauern, wirken gerade deshalb so verkrampft, weil sie weder richtig gespielt noch dokumentarischauthentisch sind, sondern nur gestellt. Diese Verkünstlichung des Realen berührt peinlich, auch weil sie dazu führt, dass naive Klischees bedient werden, die man nach so vielen Jahren Kuba-Begeisterung und allseits erwachsener Fachkenntnis nicht mehr erwartet hätte: Arme Kubaner, die wenigstens ihre Musik haben, die sie glücklich macht, die den Rhythmus im Blut haben und bei jedem Konzert sofort in Jubel ausbrechen. Unglaubwürdig auch die Inhalte: Da hält Bárbaro auf der Straße einige Japaner an, erzählt ihnen von seinen Plänen, und schon erklären sie sich bereit, der gesamten Band Flugtickets nach Japan zu kaufen. Selbst wenn es so gewesen wäre, würde man es dem Film nicht glauben. Hätte der Regisseur seine Entdeckungsreise durch Kuba und die verschiedenen Musikszenen nüchtern- journalistisch gestaltet, wäre dem Zuschauer einiges erspart geblieben, ohne dass der Unterhaltungswert geschmälert worden wäre. Zumal sich Kral bemüht hat, viel Musik einzufangen und auch auszuspielen, und er dabei all die Bands vorstellt, die eben nicht uralte Schlager von noch älteren Musikern intonieren, sondern sich auf der Höhe der Zeit bewegen. Mal spielen sie aufregendschnellen Salsa wie "Los Van Van" oder "Pupy y Los Que Son Son", mal Reggae und Rap wie "Interactivo", mal auf Spanisch, mal auf Englisch. So vermitteln diese Bands ein ganz anderes Bild von Kuba: das einer politisch abgeschotteten Insel, auf die dennoch die Musik der Welt schwappt, und die dort wie überall aufgegriffen und adaptiert wird, weil dies kein Regime aufhalten kann. Wahrscheinlich könnten diese Musiker von dem Film noch profitieren, denn gegen weltweite Popularität ist auch Fidel Castro machtlos. Aber ob "Musica Cubana" ein derartiges Aufsehen erregt wie einst Wenders’ Film, mag man bezweifeln.

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