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Die 25-jährige Französin Freddie wurde in Korea geboren und als Baby von einem französischen Paar adoptiert. Nun will sie erstmals nach Korea zurückkehren, um ihre leiblichen Eltern ausfindig zu machen. Tatsächlich findet sie mit Hilfe einer Agentur ihren Vater. Doch die Begegnung offenbart vor allem die tiefen, scheinbar unüberwindbaren Gräben, die zwischen den beiden ungleichen Menschen und ihren Kulturen liegen.
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In der koreanischen Hauptstadt bezieht sie ein Zimmer in einem kleinen, vor allem von jungen Leuten frequentierten Hotel und freundet sich sofort mit der etwa gleichaltrigen Rezeptionistin Tena an. Welche Freddie schon am ersten Abend in ihren Freundeskreis um den frankophilen Dongwan aufnimmt. Allerdings stößt dieser sich, höflich hinter vorgehaltener Hand, an der provokanten Unbekümmertheit, wie die Europäerin traditionelle koreanische Verhaltensweisen umstößt.
Tena, deren Vater (Dong-ho Shin) Französischlehrer ist, überredet Freddie, Kontakt zum Adoptionszentrum Hammond aufzunehmen. Dort erfährt sie ihren Geburtsnamen Yeon-hee, der „fügsam“ und „freudvoll“ bedeutet. Tena ist es auch, die den Kontakt zu Freddies leiblichem Vater herstellt, der mit einer neuen, sehr empathischen Frau (Cha Mi-Kyung) in der Industriestadt Gunsan im Südwesten des Landes lebt. Er repariert Klimaanlagen und zeigt seiner Tochter, von deren Existenz er bisher gar nichts wusste, das kleine Fischerdorf, in dem er aufgewachsen ist.
Mit Hilfe ihrer der englischen Sprache mächtigen Tante erfährt Freddie, das ihre Mutter Son Mi-ja heißt. Sie wollte nicht in Gunsan leben und ist daher weggezogen, ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Als Freddie ihrem Vater und dessen Familie im Laptop Fotos ihrer französischen Adoptiveltern zeigt, wird das Treffen durch die christliche Großmutter sehr emotional, was die Enkelin unbedingt vermeiden wollte. Plötzlich spricht Freddies Vater davon, dass sie in Korea bleiben und bei ihm wohnen soll und er sie verheiraten will. Doch Freddie fühlt sich als Französin, verabschiedet sich befangen, fast stumm von der enttäuschten Familie ihres Vaters und lässt die ihr geschenkten Ballerinas zurück. In Seoul erreicht sie die Nachricht, dass sich ihre leibliche Mutter immer noch nicht bei Hammond gemeldet hat.
Zwei Jahre später. Freddie ist immer noch in Seoul und hat an ihrem 27. Geburtstag einen Tinder-Date mit dem wesentlich älteren Waffenhändler André. Sie lässt es mächtig krachen in der Techno-Disco von Kay-Kay, lässt ihrer Wut über ihre herzlose biologische Mutter freien Lauf. Fünf Jahre später. Freddie arbeitet für Andrés Firma. Sie lässt sich von ihrem Freund Maxime zum Essen mit ihrem Vater und dessen Schwester begleiten, um ihm anschließend im Taxi eine heftige Szene zu machen: „Ich muss nur mit dem Finger schnippen, und du verschwindest aus meinem Leben.“ Der geht - so verblüfft und ungläubig wie die Zeugen dieses Vorfalls im Kinoparkett.
Endlich kommt es zu einem Treffen mit ihrer Mutter – sehr ritualisiert in den nüchternen Räumen der Agentur Hammond. Bevor noch ein Wort fällt, weint Freddie hemmungslos. Ihre Mutter nimmt sie daraufhin in den Arm – um dann rasch wieder zu verschwinden. Immerhin hinterlässt sie eine Mailadresse. Ein Jahr später ist Freddie an ihrem Geburtstag mit dem Rucksack unterwegs zu Son Mi-ja, strandet aber unverrichteter Dinge in der Seouler Hotel-Lobby am Klavier: die Adresse existiert nicht mehr…
Der französisch-kambodschanische Regisseur Davy Chou erweist sich in „Return to Seoul“ als sensibler Porträtist einer jungen Frau mit tief verwurzelter Identitätskrise: „Nach und nach wurde Freddie eine Kriegerin, die sich nicht scheut, ihre Wut auszudrücken. Indem sie sich wehrt und für Aufruhr sorgt, zwingt sie die Menschen, ihre Sicht der Dinge zu überdenken. Ich sehe sie als eine Art ‚Agentin des Chaos‘, deren Suche nach Leben und Freude Veränderungen bewirkt. Außerdem ist sie zielstrebig und stellt sich ihren Ängsten. Ich wollte bewusst die Erwartungen und Vorstellungen von asiatischen Frauenfiguren in Filmen unterlaufen, die oft zarte Heldinnen sind, deren Seelenleben offenbart wird. Aber hier haben wir eine explosive Figur, die gegen den Strich gebürstet und nicht nur ein nettes Mädchen ist“, so Davy Chou im Rapid Eye-Presseheft.
Sein durch zahlreiche Nebenstränge mit 116 Minuten überlanger Film macht das Publikum in ebensolchen Kamerasequenzen mit der hierzulande vielfach als fremd und allzu steif empfundenen Tradition Koreas bekannt. Im Verhalten und ganz besonders im Gesicht der Bildhauerin Ji-Min Park, die als Schauspiel-Newcomerin eindrucksvoll debütiert, wird der Aufprall sehr gegensätzlicher Kulturen lebendig.
Pitt Herrmann