Verwirrung der Liebe

DDR 1958/1959 Spielfilm

Sind wir so?


Winfried Junge, Forum, Berlin/DDR, Nr. 9, 1959


Slatan Dudow – Schöpfer so gültiger künstlerischer Zeitdokumente wie "Kuhle Wampe" (1932), "Unser täglich Brot" (1949), "Stärker als die Nacht" (1954) und "Der Hauptmann von Köln" (1956) – hat sich nach drei Jahrzehnten kämpferischer Auseinandersetzung mit der reaktionären deutschen Entwicklung in Vergangenheit und (Bonner) Gegenwart unserem neuen Leben in der DDR und seinen optimistischen Perspektiven zugewandt. "Verwirrung der Liebe" heißt der heitere Auftakt, und seine Helden sind wir: Studenten und Arbeiter – verliebt, lachend, lernend, erwachsen werdend. (…)

Um es vorwegzunehmen: Selbstverständlich gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für berechtigte Kritik. Die Fabel des Films, einmal sehr eng gefaßt, bewegt sich an der unteren Grenze dessen, was man gemeinhin "Tragfähigkeit" nennt, und sie hat auch, besonders am Schluß, etwas allzu dramaturgisch Gewaltsames und Konstruktives. Doch wenn man nun weiter, die Dramaturgie als Angelpunkt nehmend, den ganzen Film als konventionell und belanglos abtut, so ist man gleich mitten drin in jenem ärgerlichen Irrtum, mit dem es sich hier auseinanderzusetzen gilt. Entscheidend – so muß man erkennen – ist doch für die richtige Beurteilung des Films, Verständnis für den ungewöhnlichen neuen Standpunkt, den neuen Aspekt des "Problems Liebe" zu entwickeln, den der Regisseur zeigt.

Die Dramaturgie ist doch nur Mittel zum Zweck. Dudow kann es sich leisten, sich derart bedenkenlos alter dramaturgischer Formen zu bedienen, weil er sie in den Dienst eines neuen Inhaltes stellt und somit selbst erneuert. Eine Dramaturgie läßt sich brauchen und mißbrauchen: Dudow vermochte mit ihrer Hilfe seinen Stoff realistisch zu formen. In den Händen eines Routiniers aber, der nicht gewußt hätte, was heute an Neuem nach Gestaltung drängt, wäre jener Film tatsächlich zu dem geworden, was wir sattsam kennen: ein billig gemachtes Amüsierstückchen bürgerlicher Art ohne irgendwelche Bedeutung.

Inhalt und Anliegen
"Verwirrung der Liebe" verdient aus mehreren Gründen Beifall. Einmal schon, weil hier – wie einleitend gesagt – die Liebe zum "Kardinalproblem", zum tragenden Konflikt gemacht ist und nicht wie üblich unter "Ferner liefen" rangiert. Aber vor allem, und das ist seine großartige Moral, weil versucht wurde, an dieser Liebe darzustellen, welch ein neues, höheres Lebensgefühl sich unter der jungen Generation durchsetzt. Unter der fortschrittlichen jungen Generation wohlgemerkt; und das heißt (übrigens auch ein Plus), daß die lederbejackten Eckensteher diesmal nich.t von Interesse sind. Man verläßt das Kino nicht mit deprimierenden Zweifeln ("ja, die Jugend von heute ist gefährdet. Aber kann man etwas dagegen tun?"), sondern mit dem sicheren, optimistischen Gefühl, daß all jene Dieters, Sonjas, Edys und Siegis mit ihren Problemen schon fertig werden und den richtigen Weg ins Leben finden. Der Film ist von einem riesigen Vertrauen zur Jugend getragen, und das gibt ihm seinen eigentlichen Wert und macht ihn für seine Kritiker im Grunde unverwundbar. Viele nennen den Film nicht zuletzt deshalb auch – in des Wortes tieferer Bedeutung –einfach "schön", und die haben ihn eben – so finde ich – besser, d. h. auch von Herzen verstanden. (…)

Rechtsstatus