Flashback - Mörderische Ferien

Deutschland 1999/2000 Spielfilm

Flashback – Tödliche Ferien

Michael Karen versucht einen deutschen Splatter-Film


Frank Arnold, epd Film, Nr. 4, 02.04.2000


Einen flashback lösen die Geschehnisse dieses Thrillers nicht nur bei der Protagonistin aus, sondern auch beim Zuschauer. Déjà vu, alles schon mal gesehen: vom Kindheitstrauma, das die Heldin noch als Erwachsene mit sich herumschleppt, über den Mörder in Frauenkleidern und das Loch in der Wand, durch die das Opfer ausgespäht wird, bis zu den nervtötenden Teenies, die einer nach dem anderen dezimiert werden. Teilweise recht blutig, denn "Flashback" präsentiert sich als deutscher Beitrag zum Slasher-Genre, immerhin einer mit einem twist am Ende. Déjà vu, aber bei einem Genrefilm kann man sich darüber nicht beklagen, so funktioniert er eben – auf die kleinen Abweichungen kommt es an.

Neue deutsche Welle: die Genres, die im Kino lange Zeit fast ausschließlich von Hollywood okkupiert waren, versuchen einige Regisseure jetzt selbst zu besetzen. Das Trainingsfeld dabei: die TV-Movies, die die privaten TV-Programmanbieter jede Woche gleich mehrfach (ver-)senden. In Anbetracht des dort betriebenen, gar nicht mal geringen Aufwands werden die Grenzen zwischen TV und Kino fließend, aber heutzutage ist die Kinotauglichkeit vielleicht sowieso eher eine Frage des Marketings. Wenn man dazu aber noch ein Genre bedient, das zur Prime Time an Grenzen (des Jugendschutzes) stößt, kann das jedoch nicht schaden. Da kann man dann ein bisschen deftiger zur Sache gehen als um 20.15 Uhr im Heimkino.

Nach der Destruktion des Genrekinos (auf unterschiedlichstem Niveau) folgt jetzt im deutschen Kino offenbar eine Reihe von Filmen, die das Genrekino vergleichsweise ernst nehmen, die sich nicht unbedingt kraftmeierisch als "postmodern" gerieren oder in der Montage der Attraktionen schwelgen. "Flashback" ist – um zwei vergleichbare aktuelle deutsche Filme zu nennen – angesiedelt irgendwo zwischen der eher klassischen Erzählweise mit verhaltenem Schrecken von Stefan Ruzowitzkys "Anatomie" (der im Kino ein – für mich – überraschender Erfolg war) und dem überlebensgroßen "Kaliber De Luxe" von Thomas Roth.

Der Anfang von "Flashback" jedenfalls ist bigger than life, wenn mit geradezu manischen Kranfahrten ein einsames Landhaus in einer stürmischen Nacht als Schauplatz eingeführt wird: ein Familienidyll, das sich schnell in ein Bild des Grauens verwandelt. Nicht nur Vater und Mutter der 12-jährigen Jeanette müssen dran glauben, sogar der Hund des Kindes bleibt nicht verschont von der Mordlust des Killers, der sich schließlich mit gezücktem Messer auch dem kleinen Mädchen nähert ...



Zeitsprung: Zehn Jahre später ist aus dem kleinen Mädchen eine attraktive junge Frau geworden, allerdings recht verschlossen und in sich gekehrt. Aber Jeanette hat auch viele Jahre im Schutz einer psychiatrischen Anstalt verbracht, ohne dass ihre Alpträume, die den Schrecken jener Nacht immer wieder heraufbeschwören, vergangen sind. Die Abgeschiedenheit der Klinik vertauscht sie jetzt mit der Abgeschiedenheit eines Hauses in den Alpen: Über die Sommerferien soll sie dort den drei schulpflichtigen Kindern der Familie Nachhilfeunterricht in Französisch erteilen.

Auch hier bekommt die Idylle alsbald Risse: Gleich nach der Ankunft sind die Koffer von Jeanette verschwunden. Später stehen sie zwar in ihrem Zimmer, aber ein Kleid fehlt – nur ein dummer Streich der jüngsten Schwester? Dann gibt es mit Fräulein Lust (mit einer gewissen lustvollen Theatralik verkörpert von Elke Sommer) noch eine sinistre Haushälterin, die für niemanden der Anwesenden viel übrig zu haben scheint, sowie eine Scheune, in der abends manchmal Licht brennt und über die keiner gerne spricht. Auf leisen Sohlen kommt der Schrecken, aber nach und nach zieht der Film die Spirale des Grauens an, am Schluss fließt das Blut gleich kübelweise. Aber da hat die Geschichte mit einer Enthüllung auch schon eine überraschende Wendung genommen, die den Zuschauer die Figuren in einem anderen Licht erscheinen lässt. Es ist diese Kombination von psychologischem Schrecken und kruden Splattermomenten, die "Flashback" einen eigenartigen Reiz verleiht, eine Mischung, die vermutlich mit der Produktionsgeschichte dieses Films zu tun hat.

Die Vorlage nämlich stammt von einem erfahrenen Profi: Jimmy Sangster hat für die britische Horrorschmiede Hammer seit 1957 nicht nur die klassischen Universal-Monster wie "Dracula" und "Frankenstein" neu belebt, sondern auch mit dem Psychothriller "Ein Toter spielt Klavier" ("Taste of Fear", 1961) bewiesen, dass er auf der Klaviatur der Emotionen famos zu spielen versteht - bevor er in den siebziger Jahren zahlreiche Episoden amerikanischer Fernsehserien schrieb und überwachte.

Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, wie sich das Buch von Sangsters Original zur deutschen Adaption und zum finalen Drehbuch von Natalie Scharf (die vorher zwei TV-Movies für RTL und Sat.1 geschrieben hat) verändert hat. An der Sorgfalt im Detail, die den Genrewert eines solchen Films mit bestimmt, jedenfalls mangelt es "Flashback" manchmal: da gibt es etwa einen Skilift, dessen grosse Zahnräder eine eindrucksvolle Mechanik erkennen lassen, die auf der Bild- und Tonebene so nachhaltig ins Bild gerückt wird, das sich daraus unweigerlich ein Versprechen ableitet – das dann aber leider nicht eingelöst wird; stattdessen gibt es nur das immer wieder bewährte, aber alles andere als originelle Bild vom Blut, das plötzlich von oben auf eine Person tropft.


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