Der Golem

Deutschland 1914/1915 Spielfilm

"Der Golem" und Paul Wegener


Lichtbild-Bühne, Nr. 3, 16.1.1915

Schon vor dem letzten Donnerstag nachmittag, als im Berliner Uniontheater Friedrichstraße die Uraufführung dieses Bioscop-Films stattfinden sollte, raunte man es sich gegenseitig geheimnisvoll zu, daß hier ein Filmwerk zu erwarten ist, das von sich reden machen wird. Die Fama hat mehr als wie nur Recht gehabt, denn das gespannt erwartungsvolle Publikum genoß in diesem in fünf Abteilungen sich abrollenden phantastischen Filmspiel, als dessen Verfasser Paul Wegener und Heinrich Galeen zeichneten, ein wunderbares, prächtiges Kunstspiel, das ununterbrochen die Beschauer fast fieberhaft fesselte.

Der Geschichte dieses geheimnisvollen Golem liegt eine Sage zu Grunde, die in der alten Stadt Prag ihren Sitz hat, und noch heute wird dort den Reisenden und Touristen das Grab gezeigt, wo diese mystische Persönlichkeit zum ewigen Schlaf verurteilt wird.

Der Filmstoff, der dem guten Dr. Hanns Heinz Ewers entgangen ist, läßt sich nur schwer, ohne ihn in seiner Wirkung zu entkleiden, in knappen Worten wiedergeben, – Brunnenbauer finden beim Ausschachten eine große tönerne Menschen-Figur, die bei einem alten Antiquitätenhändler ihr totes Leben weiterführen soll. Durch zufälliges Mitwirken eines Gelehrten wird dem Golem-Besitzer der Zauberspruch bekannt, wie dem Golem Leben einzuhauchen ist, und siehe da: Paul Wegener ist es, der da seine ersten Gehversuche macht. Mit gewaltiger Kraft ausgestattet, kennt er nur das Gehorchen, wird der Knecht des alten Juden und soll auch dessen Tochter bewachen, die gegen den Willen des Vaters dem Geliebten in die Arme eilen will, der sie zu einem Sommerfest geladen hat. Sein Hüteramt zwingt ihn hinaus auf die Straße; er sieht zum erstenmal die Welt, lernt den Duft der Blumen kennen, das Naß des Wassers, und ahnend tritt selbst zu ihm die erste Regung der Liebe. Nur kurz ist sein tastender, überall Schrecken verbreitender werdender Werdegang, denn das überraschte Liebespaar stößt den lästigen Tugendwächter hinab vom hohen Turm. Sein Ton-Herz hat aufgehört zu schlagen.

Wenn man die unnachahmlich künstlerische Auffassung dieser phantastischen Idee gesehen hat, die glänzende Darstellung der ersten Künstler, die Hochachtung fordernde Seebersche Photographie und die entzückenden Motive aus dem alten Hildesheim, die den Hintergrund gaben, dann müssen wir mit Stolz dieses geistvolle Werk als restlos vollkommen bezeichnen. Es wird seinen Weg machen durch große und kleine Lichtspielhäuser, wird die Menschen fesselnd in seinen Bann ziehen und immer und immer wieder zum Ansehen zwingen. Wir danken an dieser Stelle allen Mitwirkenden, daß uns dieses Kunstwerk geschenkt wurde: dem Paul Wegener, der gazellenhaften Lydia Salmonova, dem Techniker Guido Seeber und allen anderen, die sich liebevoll diesem Stoff hingaben. Das ist richtige Film-Pantomimik, die nicht durch die Sprechbühne und nicht durch die Feder des Schriftstellers, sondern einzig und allein nur durch die plastische, stumme Wiedergabe im Film zur packenden, glaubwürdigen Handlung dem Menschen übermittelt werden kann.

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