Leben mit Uwe



Rosemarie Rehahn, Wochenpost, Berlin/DDR, 29.3.1974


Der Film betrifft eine Menge Leute hierzulande. Das Leben, das die Filmheldin Alla, Dolmetscherin von Beruf, mit ihrem Biologen-Ehemann Uwe führt, ähnelt sehr dem anderer DDR-ansässiger Eheleute. Es gehört in unserer Landschaft schon zur weitverbreiteten Lebenspraxis, daß der einzelne – genau wie"s im Film geschieht – ziemlich hohe Anforderungen ans Leben stellt, es voll ausschöpfen möchte, was bedeutet, sich selber voll auszuschöpfen, seine Möglichkeiten nach Möglichkeit zu verwirklichen. In der Arbeit, in der Liebe, in der Familie.

Wer sich zu solcher Art Glücksanspruch bekennt, weiß auch um die dazugehörenden Schwierigkeiten. Mal steht die Arbeit der Liebe, mal die Liebe der Arbeit im Wege – wenn man beides voll und richtig will, und voll und richtig auch die Kinder, diese wunderbaren Menschlein, die auf eigne selbstherrliche Art ins Arbeits- und Liebesleben der tapferen Eltern eingreifen.

Mir gefällt, daß der Film um besagte Schwierigkeiten nicht nur weiß und sie ungeglättet ins Bild bringt, sondern daß er sie mit beachtenswerter Selbstverständlichkeit akzeptiert und auch dem Zuschauer Mut machen möchte, ein volles, aber unbequemes Leben einem halbierten bequemeren vorzuziehen.

Die Geschichte von Alla und Uwe unterscheidet sich grundsätzlich von den Ehegeschichten, die aufrichtige bürgerliche Filmemacher erzählen. Hier Konflikte auf dem Wege zur Vervollkommnung des menschlichen Zusammenlebens in einer sich vorwärts entwickelnden Gesellschaft, dort Konflikte beim Auseinanderbrechen menschlicher Beziehungen in einer sinnentleerten Welt. Zu überprüfen in unseren Kinos an den Ehegeschichten so hervorragender Filme wie Ingmar Bergmans "Die Berührung", Antonionis "Sonnenfinsternis", Johannes Schaafs "Trotta", wie, wie. (…)

Wie immer bei Lothar Warnekes Arbeiten besticht die unbedingte Lebensnähe, der Eindruck des Spontanen, Nichtinszenierten, eine besondere Sensibilität der Beobachtung, ein inneres Beteiligtsein. Hinzugekommen ist bei seinem neuen Film, daß die wirklichen Dinge, die er so erstaunlich einzufangen weiß, sich hier zur künstlerischen Wirklichkeit verdichten. Optische Phantasie ist hinzugekommen, im Ernsten (unvergeßlich das immer wiederkehrende Sehnsuchtsbild: Vater) und im Heiteren.

Hier filmt einer, der sich auskennt und bekennt. Bei seinem Filmerstling "Dr. med. Sommer II" behaupteten wir, die Filmleute hätten den Kollegen S. gewissermaßen in eigner Sache vorgeschickt. Das gleiche läßt sich in zugespitzter Form von den Polzins, von Uwe und Alla sagen. Es ist unverkennbar, daß das Schöpferkollektiv eine Portion Eignes, Generationseignes behandelt, verhandelt.

Glänzend der Einfall, das Filmehepaar mit Cox Habbema und Eberhard Esche zu besetzen, die privat miteinander verheiratet sind, also nicht verhindern können und wollen und sollen, daß da etwas in den Film kommt, das selbst der Realitätsfanatiker Warneke so stimmig bis in die kleinste Geste nicht geschafft hätte. (…)

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