Wie ein Fisch im Wasser

DDR 1987 Dokumentarfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Der Tollense-See im Morgennebel. Es ist Winter, Rauhreif liegt auf den Spinnweben, nicht nur Pfützen sind zugefroren, auch weitaus tiefere Gewässer. Der namentlich nicht genannte Vorsitzende der Produktionsgenossenschaft der Binnenfischer (PGB) Tollense Neubrandenburg, seit 1970 im Amt, hält gleich zu Beginn ein Plädoyer für die Seefischerei ohne industrielle Produktionsmethoden. Zu seinem Bereich gehören gut ein Dutzend Seen, darunter mit Lieps noch ein zweiter größerer.

„Zum FKK-Strand“ weist ein Holzschild den Weg. Geländegängige LKW und geschulte Militärkraftfahrer sind nötig, um die Polyester-Boote zu Wasser lassen zu können, da die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) ihre Ackerflächen bis an die Seeufer ausdehnen und keine Fahrspur freihalten. Was etwa beim Rapsanbau zu Problemen führt: aus der Luft gesprühte Pflanzenschutzmittel gefährden nicht nur bei Starkregen den Fischbestand. „Landwirtschaftliche Abprodukte“ wie Gülle sind ein Problem, kommunale Abwässer und die von Hefewerken und Schlachthöfen nicht weniger.

Die Zugnetz-Fischerei spürt die Auswirkungen des Klimawandels: mit der Wassertemperatur steigt auch die Sichttiefe, sodass Fische ihr Schwarmverhalten ändern. Barsche und Hechte etwa können erfolgreich nur noch am späten Abend oder nachts gefischt werden. „Wir fliegen zum Mond und machen alles Mögliche“, nimmt der PGB-Vorsitzende kein Blatt vor den Mund, „aber bei der Seefischerei sind wir im gewissen Sinn vom Stadium des Sammelns und Jagens noch nicht weit genug weggekommen.“

Beim Netzflicken erzählen die Fischer aus ihrem von harter körperlicher Arbeit geprägten Alltag. Sie sind nicht selten seit Generationen der Binnen- oder der Hochseefischerei verbunden und dankbar nicht nur für den technischen Fortschritt, etwa Netze nur noch aus synthetischem Material, sondern auch für die soziale Absicherung in der Genossenschaft. Früher wurde nur der Fang bezahlt, nun auch alle zur Berufsausübung notwendigen Reparaturarbeiten.

Bei einer PGB-Versammlung wird deutlich, dass heute ganzjährig gefischt werden muss, um den staatlichen Plan zu erfüllen. So sorgen Kettensägen für eisfreie Stellen für Reusen. Wurden 1964 beim Eintritt des heutigen Vorsitzenden noch 80 Tonnen Fisch eingefordert, sind des 1986 bereits 254 Tonnen pro Jahr. Was nur mit einer die Ressourcen schonenden Bewirtschaftung der Gewässer möglich ist: die Genossenschaft sorgt unter dem Motto „Fangen und Hüten“ mit eigenen Aufzuchtstationen selbst für Nachschub an Jungfischen. Zumal die natürlichen Laichmöglichkeiten durch menschliche Einflüsse immer weniger werden.

„Die Zeit ist vorbei, dass wir hier noch Kompromisse eingehen“: Die KAP genannte Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion entnimmt zur Bewässerung ihrer Felder den Seen immer größere Wassermengen, was etwa beim Gramelower See zum ernsten Problem geworden ist. Beim Tolense-See mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von 17,5 Metern gefährden Abwasser und Abfälle von Zeltplätzen mit häufig mehr als tausend Campern die Wasserqualität wie auch die große Zahl an Motorbooten: ein Liter Mineralöl macht bis zu eine Million Liter Trinkwasser ungenießbar.

„Wie ein Fisch im Wasser“ ist ein einziges Plädoyer für den Umweltschutz im sozialistischen Deutschland. Von der Gruppe effekt des Defa-Studios für Dokumentarfilme produziert, für die Gitta Nickel über viele Jahre auch Lehrfilme im staatlichen Auftrag drehte, stellt die Dokumentation drei Jahre vor der Wende idyllischen Bildern von Natur und Mecklenburgischer Landschaft zur Musik Günther Fischers harte Fakten entgegen. Und eine erstaunlich ungeschminkte Offenheit, die bis ins Private der Familie des PGB-Vorsitzenden reicht: „Rinderzucht-LPG kippt Gülle in den See“ lautet eine Liedzeile beim familiären Hauskonzert.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
1319 m, 48 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 16.10.1987

Titel

  • Originaltitel (DD) Wie ein Fisch im Wasser
  • Arbeitstitel (DD) Tollense-See

Fassungen

Original

Länge:
1319 m, 48 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 16.10.1987