Wege eines Tierfilmers

DDR 1989/1990 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ob es Vorahnung gewesen ist? Beim letzten Defa-Film des 1932 in Dresden geborenen (und 2021 verstorbenen) Dokumentaristen Siegfried Bergmann, der, beauftragt vom Adlershofer Fernsehen, noch zu DDR-Zeiten herauskam, handelt es sich um eine knapp halbstündige Rückversicherung der eigenen Arbeit mit inzwischen siebzig Filmen für diverse Arbeitsgruppen unterschiedlicher Defa-Studios.

Sie beginnt damit, dass der Kombi des Filmemachers im Schlamm steckenbleibt auf dem Feldweg zum Betriebshof einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Genauer gesagt zu Andreas Morgenstern und seinem IFA-Laster, der tagsüber die Traktoren und Erntemaschinen der LPG mit Sprit versorgt. Ein Bachstelzen-Paar hatte im hinteren Bereich unter dem Dieseltank ein Nest gebaut, nun lässt sich der Nachwuchs werktags durch die Landschaft schaukeln, bis die hungrigen Mäuler am Feierabend des Fahrers von den gar nicht aufgeregten Eltern gestopft werden.

So skurril geht es allerdings nicht weiter, denn das Anliegen des gelernten Gärtners, examinierten Gartenbau- (Dresden), Biologie- (Jena) und Filmstudenten (Babelsberg) ist ein Ernstes: die Bevölkerung und vor allem die Jugend für das biologische Gleichgewicht, dessen Grundlage die Artenvielfalt in Flora und Fauna ist, zu interessieren wenn nicht gar zu begeistern, häufig untermauert durch Beispiele für freiwilligen Einsatz für den Naturschutz. Und früh unterstützt von seiner späteren Gattin, der Defa-Dramaturgin Christine Jahrow.

An der unteren Havel, am Gülper See, haben die Bergmanns häufiger gedreht. Das von der Unesco unter Schutz gestellte Feuchtgebiet ist für zahllose Wasservögel die letzte Rastmöglichkeit vor ihrem Zug durch Europa. Um Graugänse beobachten zu können, wurde eine künstliche schwimmende Insel angelegt – nicht sehr bequem für die Kameraleute. Für die seltenen Trauerseeschwalben wurden Nisthilfen im See installiert, von der Mutter verlassene Sumpfohreulen aufgepäppelt und das erste in der Havel ins Fischernetz gegangene Meerneunauge seit 30 Jahren ins Potsdamer Aquarium gebracht. „Ein kleines Weltwunder“, lässt sich Siegfried Bergmann vernehmen, sei die im Stralsunder Aquarium gefilmte Geburt von Seepferdchen, die nur 45 Sekunden dauerte.

Weitere Themen sind u.a. der Schutz der zu ihren Laichplätzen wandernden Kröten in Neubrandenburg, eine Robbe und ein Seeadler-Paar im Barther Bodden an der Ostsee sowie Studioaufnahmen zum Laichverhalten der Bitterlinge, die ihre Eier in Muscheln ablegen. Der Mensch, so das Resümee der Bergmanns, ist eingebunden in das weitgespannte Netzwerk der Ökologie. Dass dieses nicht brüchig wird, sei Aufgabe von Politik und Gesellschaft.

Ralf Forster, Verein CineGraph Babelsberg, Ko-Kurator der Reihe „FilmDokument“ in Zeughauskino Berlin, anlässlich einer Aufführung im Oktober 2022: „Die Filme von Christine und Siegfried Bergmann sind heute nahezu unbekannt. Dabei wirkten die Dramaturgin und der Regiekameramann ab 1971 in über 70 Filmen über biologische Prozesse, die Natur und insbesondere den Naturschutz – weit über die politische Wende hinaus. Über die Arbeit zu konventionellen agrarischen Themen und biologischen Vorgängen gelangten sie zu einer zunehmend kritischen Sicht auf die industrielle DDR-Landwirtschaft, die in Filme pro Naturschutz und über entsprechende Aktivisten mündete. Neben dem Erhalt der Natur ging es den Bergmanns um ihr Verstehen, das Weitergeben entsprechender Kenntnisse an die junge Generation. Insofern war es ihnen recht, dass Filme über Hecht, Frosch, Süßwasserpolyp, Honigbiene und Schmetterling durch die Schulen wanderten. Christine und Siegfried Bergmann unternahmen ihre Kamera-Streifzüge vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, wo sie eine zumeist intakte Natur vorfanden. Die menschlichen Eingriffe zeigten sich umso gravierender, etwa im ehemaligen Moorgebiet der Friedländer Großen Wiese: Die Bergmanns verarbeiteten das Gesehene in filmischen Plädoyers für eine umfassende Renaturierung.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
30 min
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 24.03.1990, DFF

Titel

  • Originaltitel (DE) Wege eines Tierfilmers

Fassungen

Original

Länge:
30 min
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 24.03.1990, DFF