Susis Schicht

DDR 1978/1979 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Draußen ist es noch dunkel, vielleicht früher Morgen. Durch die Fensterfronten auf dem Dach und an der Seite fällt Licht. In einem kleinen, engen Raum hält sich etwa ein Dutzend zumeist älterer Frauen auf, die mit eingefrorenen Mienen am Heizkörper hocken, manche tragen Kopftuch oder skurril anmutende gestrickte oder gehäkelte Kopfbedeckungen. Eine jüngere Frau macht sich vor ihrem Spind für die bevorstehende Schicht fertig – vor allem mit festem Schuhwerk.

Sie bespricht sich mit einem Mann, vielleicht ein Vorarbeiter, in einer großen Halle, an deren Ränder Berge von Papier und Pappe lagern. Ein IFA-Transporter mit Anhänger fährt herein. Die Frau besteigt die Ladefläche, um ein Laufband zu befüllen – mit der Hand. Als Maschinen kommen nur ein Gabelstapler, ein Kran und die Pressmaschine, welche das hereingekommene Material zu großen quadratischen Blöcken formt, zum Einsatz. Es ist harte körperliche Arbeit für die Frauen, die hoch auf dem Fahrzeug zusammengebundene Pappkartons von den Bändern befreien, bevor sie diese aufs Laufband werfen.

Dennoch bleibt schon ein wenig Zeit, um in Papieren oder gar Büchern zu blättern, nur die Zeitung mit der höchsten Auflage in der DDR, das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“, findet keine nachträglichen Leser. Nach einem weiteren kurzen Dialog mit besagtem Mann ist Mittagspause angesagt. In der Kantine geht es hoch her, es herrscht – vor Petra Tschörtners Kamera – eine geradezu ausgelassene Stimmung unter Männern und Frauen. Am Ende türmen sich die Blöcke mit dem gepressten Papier und Karton zu einem wahren Gebirge.

Jeder Regiestudent an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), die heute den Namen Konrad Wolf trägt, realisiert als erste Übung eine etwa fünfminütige Dokumentation, die ohne Kommentar oder Zwischentitel, ja überhaupt ohne Ton auskommen muss, um nur mit der Kamera „eigene Beobachtungen des täglichen Lebens“ einzufangen. Eine gute Übung für die spätere Karriere, was im Besonderen für Petra Tschörtner gilt. Am 6. Mai 1958 in Potsdam-Babelsberg geboren absolvierte sie nach dem Abitur ein Volontariat im Defa-Studio für Spielfilme, wo sie nach ihrem HFF-Diplom auch eine erste Anstellung als Assistentin erhielt, 1964 aber zum Defa-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme wechselte.

In ihrem knapp siebenminütigen Debüt „Susis Schicht“, einer Übung im 1. Studienjahr, porträtiert sie 1978 eine junge Arbeiterin des VEB Kombinats Sekundär-Rohstofferfassung (SERO). Altpapier, Kartons, aber auch Flaschen bildeten die Grundlage einer breit gefächerten Abfallwirtschaft in der DDR, die nicht aus ökologischen Gesichtspunkten, sondern aus rein finanziellen Zwängen forciert wurde mit angeblich freiwilligen Sammelaktionen von JP- und FDJ-Gruppen (Junge Pioniere, Freie Deutsche Jugend) sowie Wohnblock-Gemeinschaften. Es ist ein ungeschminkter Einblick in die Arbeitswelt, der Petra Tschörtner dadurch erleichtert wurde, dass die HFF ihren Studenten deutlich mehr Freiräume bot als die Defa. Eine Erfahrung, welche die 2012 in Berlin gestorbene Filmemacherin gleich zu Beginn ihrer Karriere mit der Dokumentation „Heim“ machte: der Vorfilm zu Roland Gräfs „P.S.“ (1978) verschwand im Giftschrank des Volkseigenen Betriebes Defa und konnte erst nach der Wende 1990 uraufgeführt werden.

Pitt Herrmann

Credits

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Titel

  • Originaltitel (DD) Susis Schicht

Fassungen

Original