Now or Never

Deutschland 2018/2019 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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„Henry, du bist ein Arschloch“ wirft ihm sein Kollege Martin (Philippe Graber) an den Kopf. Dabei ist der so gescholtene Sterbehelfer im unmittelbar auf der Schweizer Grenze gelegenen Konstanzer Hospiz Eternitas (Michael Pink) zwar öfter mies gelaunt, was aber am Kater nach durchzechten Nächten liegt und nicht an fehlender Fürsorglichkeit den zumeist deutschen Klienten gegenüber. Nun soll er der unheilbar an Knochenkrebs erkrankten Frau Winter (Johanna Mertinz) den finalen Schlummertrunk verabreichen, aber aus juristischen Gründen auf der eidgenössischen Seite des hellen Sterbezimmers mit raumhohen Fenstern zum idyllischen Park. Weshalb ihr Bett wenige Meter über die mitten durch das im Bauhaus-Stil errichtete Gebäude verlaufende Grenze verschoben werden muss. Was deren esoterisch veranlagte Schwiegertochter (Anna Behne) dermaßen aufregt, dass Henry kurzerhand die ganze Verwandtschaft aussperrt. Und dafür ein dankbares Lächeln seiner Patientin erhält.

Die Eternitas-Chefin Natalie Wollner (Claudia Burkhardt) ist weniger begeistert und gibt Henry eine letzte Bewährungschance: Er soll sich um die im Foyer mit einem Cocktail auf ihren Sterbehelfer wartende Rebecca (Tinka Fürst) kümmern. „Heute Nacht werden noch ‘mal richtig die Ferkel gefüttert“: Die attraktive junge Frau, die unter einem Hirntumor im Endstadium leidet, will ihre letzte Nacht zu einer wilden Feier des Lebens machen. Doch in der Heartbreak-Bar von Henrys bestem Freund und früheren Kollegen Benno (Johannes Allmayer), wo ein ziemlich fettes Elvis-Double aus Frankfurt/Main (Till Butterbach) für das bevorstehende Revival-Festival in Graubünden probt, bricht sie auf der Tanzfläche zusammen. Am anderen Tag springt Rebecca dem selbstgewählten Tod noch einmal von der Schippe: Mit einem noch verschlossenen Abschiedsbrief seiner vor sieben Jahren gestorbenen Frau Antje erpresst sie Henry zu einer Tour zu einem Wunderheiler im (fiktiven) Schweizer Val du Roi.

Den beiden in Henrys altersschwachem Saab Cabrio folgt ein von der um ihre Reputation besorgten Natalie Wollner hinterher geschicktes Duo in einem noch klapprigeren Gefährt: Benno und Rebeccas Mann Daniel (Sebastian Jekuhl). Der vehemente Sterbehilfe-Gegner ist seiner Ehefrau nachgereist und nur Minuten zu spät in Konstanz eingetroffen. Beide Paare streiten auf ihrem aberwitzigen Trip voller absurder Begegnungen über Gott und die Welt – und über das Leben und das Sterben. „Du glaubst doch noch nicht ‘mal an ein Leben vor dem Tod“: Die todkranke Rebecca will den todtraurigen Witwer Henry wieder ins Leben zurückholen. Und Benno ihren Gatten überzeugen, Rebeccas letzten Willen zu akzeptieren. Die rasant geschnittenen Dialoge (Laura Richter) kreuzen sich wie die Paare und am Ende landen sie in einem Bergdorf bei einem Mann, der angeblich Tote wieder lebendig machen kann: Schocher (Christian Kaiser), Tierpräparator im Königstal…

Als wahrer Wunderheiler entpuppt sich am Ende nach knapp 90 Minuten nicht nur aus Sicht Schochers ein anderer: Henry hat Rebecca zwar nicht vor dem unausweichlichen Tod bewahren können, ihr aber die Angst davor genommen. Gerd Schneider ist mit seinem ersten TV-Spielfilm „Now or Newer“, dessen Titel auf den Elvis-Song „It’s Now or Never“ anspielt, der sich wie das Presley-Double wie ein Roter Faden durch das tragikomische Roadmovie zieht, ein großer Wurf gelungen. „Do not disturb“ hängt an Henrys Saab-Innenspiegel: Auf der Fahrt nach Graubünden hat er von Rebecca gelernt, loszulassen, den selbstgewählten Tod seiner an ALS erkrankten Gattin, bei der Benno Sterbehilfe leistete, zu akzeptieren. Und damit selbst ins Leben zurückzukehren, ein Weg, den Daniel noch vor sich hat.

Neben den jungen, noch weitgehend unbekannten Protagonisten, dem Kärntner Theaterschauspieler Michael Pink und der Berliner Absolventin des Wiener Max-Reinhardt-Seminars, Tinka Fürst, mutiert die Landschaft zur Musik Martina Eisenreichs zum Hauptdarsteller. Gedreht im Oktober/November 2018 in Konstanz, in der Schweiz und vor allem in Tirol offenbart Dominik Bergs Kamera eine entrückte, ursprüngliche Berglandschaft, in der man sich dem Himmel auf eigentümliche Weise sehr nah fühlt. Dieser ungemein absurd-witzige, völlig klischeefreie und nur am Ende etwas melodramatische Film über das Sterben, das Leben und die Zeit dazwischen ist nach der Voraufführung am 14. Juni 2019 beim 30. Int. Filmfestival Emden-Norderney zweifach ausgezeichnet worden mit dem NDR-Nachwuchspreis und dem Creative Energy Filmpreis. Nach der offiziellen Uraufführung am 3. September 2019 beim Festival des deutschen Films Ludwigshafen erfolgte die Erstausstrahlung am 24. Juni 2020 im „Ersten“.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 09.10.2018 - 09.11.2018: Konstanz, Tirol, Schweiz
Länge:
89 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.09.2019, Ludwigshafen, Festival des deutschen Films

Titel

  • Originaltitel (DE) Now or Never

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.09.2019, Ludwigshafen, Festival des deutschen Films