Marta, Marta

DDR 1979 TV-Spielfilm

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
„Guten Morgen, Stadt und Leute, ich bin da…“ singt Eva-Maria Pieckert aus dem Off, als um 8 Uhr der Wecker rasselt. Dabei hat Marta, die eigentlich Martina heißt und von ihren Eltern auch so genannt wird, Schulferien. Dennoch klopft es wenig später bei der Sechzehnjährigen an der Zimmertür: Papa Manfred, Sänger an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, bittet zum Frühstück. Denn am Vormittag hat seine Tochter, die kurz vor dem Schulabschluss steht, einen Termin bei der Berufsberatung. Doch erst einmal genießt Marta den sonnigen Tag, lässt sich vom jungen Hausnachbarn Ernst-Martin, den sie nur Monty nennt, in dessen Taxe zum Kreiskulturhaus Erich Weinert kutschieren, um am Gendarmenmarkt Bauarbeitern zuzuwinken und durch den „Hain der Kosmonauten“ zu schlendern. Einer Stippvisite im Supermarkt, wo ihre Mutter Marina an der Kasse sitzt und sogleich ärgerlich bemerkt, dass sich die Tochter mit einer Bluse aus ihrem Kleiderschrank schick gemacht hat, folgt eine zweite bei einer Probe in der Lindenoper, wo sie ihren Vater mit einer Königskrone auf dem Haupt auf der Bühne erlebt – und entsprechend bewundert. Im Lindencafe geht’s anschließend um das bevorstehende Gespräch: „Ehe, Liebe, Hobbies – schön und gut, aber erst ‘mal muss die Arbeit stimmen“ meint Manfred.

Die Berufsberaterin geht nach dem obligatorischen Schul-Fragebogen davon aus, dass ihr Gegenüber Bauingenieurin werden will. Weit gefehlt: „Ich mach‘ lieber gar nischt“ gesteht Marta. Außer: „Mit Leuten reden“. Einen Traumberuf kann sie nicht angeben, aber dann doch wenigstens folgendes Kriterium: „Was Solides, wo man aber trotzdem was Aufregendes erlebt.“ So hat sich Marta für die Ausbildung als Krankenschwester an der Charité entschieden, wie sie abends ihren erstaunten Eltern erzählt, denen sie zum Hochzeitstag ein opulentes Festmahl vorsetzt. „Irgendwas wird hier gefeiert“ lässt sich eine angesäuerte Marina vernehmen: ihr Gatte hat das Ereignis glatt vergessen. Der Haussegen hängt freilich auch aus anderem Grund schief: Papa Manfred geht offenbar fremd. Und die enttäuschte Tochter Marta hängt beim Nachbarn ab – um sich in dieser Nacht ihm gegenüber als Frau zu beweisen. Was gefühlsmäßig ohne Konsequenzen bleibt: Monty zeigt sich eher an Martas Schulkameradin und bester Freundin Chris (Dagmar Uhlmann) interessiert. Und geht dann später auch mit ihr – nach einem reinigenden Gefühls-Gewitter in der Disco.

Chefarzt Dr. Maurer, dem ersten Eindruck nach ein unnahbarer Halbgott in Weiß, und die sich stets für ihre „Küken“ einsetzende Oberschwester Marianne kümmern sich um das gute halbe Dutzend Lernschwestern (Jacqueline Pöggel, Daniela Hoffmann, Daniela Fischer, Maren Schumacher, Sabine Sommerfeld und Katrin Hennig), die erst einmal zu Reinigungs- und Putzarbeiten sowie zur Zubereitung von Mahlzeiten abkommandiert werden. Was sich Marta so nicht vorgestellt hat, weshalb sie häufiger bei einer Lehrschwester (Ellen Rappus) aneckt und schließlich das Gespräch mit dem Chefarzt sucht. Der sich auch zu Martas Überraschung als geduldiger Zuhörer und sensibler väterlicher Berater entpuppt („Auf den Willen kommt es an“), auch wenn er nach außen hin barsch erklärt, was er von den Lernschwestern erwartet: „aufopferungsvolle graue Mäuse“ sollen sie sein.

Nach einiger Zeit dürfen sie sich auch um die Patienten kümmern. Marta verbindet einer sympathischen älteren Dame (Marga Legal) die Beine, kommt mit ihr ins Gespräch. Versagt aber wenig später bei einer Krebspatientin (Helga Piur), die Einsicht in ihre Krankenakte verlangt. Nach Frau Stötzers Selbstmordversuch gibt sich eine verzweifelte Marta die Schuld – und wird von Oberschwester Marianne mit einem „Gegenschock“ in die Alltagswirklichkeit zurückgeholt: Sie darf mit in den Kreißsaal, wo der Chefarzt eine junge Mutter (Sonja Stokowy) bei der Geburt ihres ersten Kindes unterstützt (im wahren Wortsinn hautnah gefilmt von Winfried Kleist). Es läuft beruflich: Marta kann endlich ein eigenes Zimmer in der Frauenklinik der Charité beziehen samt Kommode und Kronleuchter ihrer Oma. Bei der Einweihungsparty bekunden ihre Eltern, aus Berlin wegzugehen: Papa Manfred, der sich von seiner Freundin getrennt und mit Marina wieder versöhnt hat, bekommt einen Solistenvertrag an einem Theater, an dem Martas Mutter als Requisiteurin arbeiten kann. Nun ist Martas Abnabelungsprozess, der zugleich auch einer ihrer Eltern von der einzigen Tochter ist, komplett…

„Marta, Marta“ ist eine lebensnahe, auf glaubwürdige Art realistische Coming-of-Age-Geschichte der 1977 mit dem Heine-Preis, der vielleicht höchsten literarischen Auszeichnung der DDR, bedachten Drehbuchautorin und Lyrikerin Gisela Steineckert, die wie Regisseur Mosblech eine bedeutende Liste an Hör- und Fernsehspielen vorweisen kann - mit besonderem Blick auf das Vater-Tochter-Verhältnis. Gisela Steineckert hat auch die Texte zu den beiden sich wie ein Roter Faden durch den Film ziehenden Songs „Guten morgen ich bin da“ (Musik: Horst Krüger) und „Mädchen, schönes Mädchen“ (Gesang: Wolfgang Ziegler, Musik: Hartmut Behrsing) geschrieben. Auf dem Weg des Erwachsenwerdens ist Martas kumpelhafter Vater keine große Hilfe – und der zunächst nur als Tröster fungierende Monty verschafft der Sechzehnjährigen ihren ersten Liebeskummer. Es sind die so empathische wie lebenserfahrene Oberschwester Marianne und ausgerechnet der so abweisend-streng erscheinende Chefarzt Dr. Maurer, die einer anfangs noch sehr naiv-sprunghaften Marta mit verständnisvoller Ernsthaftigkeit begegnen. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ zeigte sich angesichts der Erstausstrahlung am zweiten Weihnachtstag 1979 im Fernsehen der DDR verschnupft: Autorin und Regisseur seien „einer falsch verstandenen Jugendlichkeit aufgesessen“, wodurch „die Problemhaftigkeit der Geschichte ins Hintertreffen geraten“ sei.

In der Titelrolle brilliert die temperamentvolle Marijam Agischewa, 1958 als Melan Schwarz im chinesichen Hangzhou geboren. Die Tochter einer Tartarin und eines österreichischen Diplomaten kam im Alter von zwei Jahren in die DDR, wo sie als 16-Jährige bei der Defa debütierte in Wolfgang Hübners Fernsehfilm „Geschwister“. Eher zufällig wurde Manfred Mosblech auf die junge „Ernst Busch“-Studentin aufmerksam und besetzte sie mit der Hauptrolle, für die sie vom DDR-Jugendmagazin „Neues Leben“ ausgezeichnet und 1987 zur beliebtesten Schauspielerin der DDR gewählt wurde. Marijam Agischewa am 27. Februar 2020 im Gespräch mit Behrang Samsami (Deutscher Kulturrat): „Im Studium kamen immer wieder Filmleute zu uns, die junge Schauspieler für Projekte suchten. Als ich einmal im Gebäude des DDR-Fernsehens in Johannisthal war, um einen Zettel aus einem Büro abzuholen, hatte ich solchen Hunger, dass ich in die Kantine gegangen bin und dort gegessen habe. Plötzlich stand jemand hinter mir und sagte: ‚Was machen Sie denn hier im Fernsehen? Arbeiten Sie irgendwo in einem Büro?‘ Ich sagte: ‘Ich bin Studentin auf der Schauspielschule‘. ‚Das trifft sich ja gut. Wir machen gerade Probeaufnahmen.‘ Dann kam mir ein Mädchen entgegen, die die Hauptrolle eigentlich schon bekommen hatte. Doch dann machten sie noch mal Probeaufnahmen mit mir. Und plötzlich war alles anders und ich bekam diese wunderbare Rolle, die mich bis heute verfolgt. Es war die Hauptrolle im Film ‚Marta, Marta‘, der in der DDR ein Riesenhit wurde.“

Pitt Herrmann

Credits

Darsteller

Alle Credits

Darsteller

Länge:
93 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 26.12.1979, DDR-TV

Titel

  • Originaltitel (DD) Marta, Marta

Fassungen

Original

Länge:
93 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 26.12.1979, DDR-TV