Ihr faßt mich nie!

DDR 1987 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Martin Schlesingers Kamera fährt über die Dächer der Hauptstadt. Ein Telefon klingelt: Automatischer Weckruf um vier Uhr in der Frühe. Berlin erwacht, noch beherrschen Kehrmaschinen die Straßen. Norbert Schumann (Ralf Kober), technischer Zeichner im Volkseigenen Betrieb Bauprojekt Mitte, radelt durch den Prenzlauer Berg zur Arbeit. Doch der Schein trügt: vor einer Postfiliale macht er Halt und beobachtet eine ältere Mitarbeiterin, wie sie Zeitungspakete durch den Hausflur und den Hintereingang trägt.

Der junge Mann folgt ihr, kann die Angestellte Liesbeth Rietz (Helga Göring) ebenso überwältigen wie den später eintreffenden Amtsleiter Walter Krämer (Viktor Deiß). Und unerkannt entkommen, die Beute, wie sich später herausstellt 100.000 Mark, deponiert er vorübergehend in einem Schließfach am Ostbahnhof, um wie gewohnt seinen Arbeitsplatz einzunehmen, wo schon seine junge Kollegin Gisela Schmiedel (Diana Urbank) sehnsüchtig auf ihn wartet. Rechnet sie sich doch Chancen bei dem sportlichen Junggesellen aus.

Apropos Sport. Leutnant Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) wird beim Joggen an der Spree beinahe auf dem falschen Fuß erwischt, als er zum Tatort gerufen wird. Wo sich herausstellt, dass es sich um einen ortskundigen, aber durchaus humanen Täter gehandelt haben muss: die Waffe war nicht echt und die Fesselung locker, sodass sich die beiden Postler selbst befreien konnten. Als erster, weil einschlägig vorbestraft, gerät der „Ex“ der attraktiven Post-Nachbarin Elke Fengler (Hildegard Walter) in Verdacht – zu Unrecht.

Die penible Arbeit der Kriminaltechniker um Dr. Tretow (Edgar Kükow) trägt keine Früchte, einziges mögliches Beweisstück ist der Briefumschlag, der auf einer bestimmten, nur an größere Büros gelieferten Schreibmaschine getippt wurde. Sodass VP-Hauptmann Peter Fuchs (Peter Borgelt) ungewohnte Nervosität offenbart und dem Untersuchungsführer Grawe heftig auf die Nerven geht. Und dann auch noch das: ein Bekennerschreiben taucht auf, in dem der Täter der Polizei offeriert, das Geld zurückzugeben. Freilich nicht ohne den herausfordernden Hinweis: „Ihr faßt mich nie!“

Während Grawe sogleich an die Öffentlichkeit treten will, nachdem der Geldübergabetermin geplatzt ist, raten sein Chef Fuchs und Oberleutnant Lutz Zimmermann (Lutz Riemann) zur Besonnenheit. Die Polizeipsychologin Dr. Voigt (Otti Planerer) glaubt, dem Täter gehe es vor allem um Bestätigung, es handele sich bei ihm „um einen neurotisierten Mann“. Was die Fernsehzuschauer nur bestätigen können: Norbert Schumann, der seinen Chef Dr. Böhme (Eberhard Mellies) bewusst im Regen stehen lässt bei einer Baustellen-Begehung mit dem Vertreter der Kommunalen Wohnungs-Verwaltung (Wolfgang Winkler), plagt sich mit Minderwertigkeitsgefühlen.

Als seine Eltern sich scheiden ließen, ist seine Mutter (Irma Münch) nicht ins Berufsleben zurückgekehrt, sondern hat sich mit Näharbeiten daheim über Wasser gehalten. Sodass sich Sohn Norbert gezwungen sah, auf Abitur und Studium zu verzichten und eine untergeordnete Arbeit als technischer Zeichner anzunehmen. Nun liegt der vielfach interessierte Schach- und Saxophon-Spieler mit der Mutter, seinem Chef und der Gesellschaft überhaupt über Kreuz und keilt aus, wo er nur kann. Der Post-Überfall gehört auch in diese Kategorie.

Genosse Zufall spielt den Ermittlern in die Hände. Bei den schwarzen Kapuzen, die der Täter beiden Postmitarbeitern über die Köpfe stülpte, finden sich Pollen des nach dem deutschen Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch benannten Lederhülsenbaumes Gleditschie – eine in Europa äußerst seltene Baumart, wie Professor Schneider (Erhard Köster) erläutert. Das Team um Dr. Tretow hat zudem Partikel entdeckt, die auf Luftverunreinigungen bestimmter Industrien hinweisen. Und als auch noch herauskommt, wer die Sanierung der Gründerzeitfassade der Prenzlberger Post projektiert hat, wird auch die zum Bekenner-Briefumschlag passende Schreibmaschine gefunden. Zum i-Tüpfelchen tragen zwei Tontechniker (Marina Waligora und Ernst Dollwetzel) bei, welche Norbert Schumanns Stimme mit der des sich selbst bezichtigenden Täters aus einer Telefonzelle vergleichen…

Die Zuschauer des Krimis „Ihr faßt mich nie!“ der Reihe „Polizeiruf 110“ kannten von Anfang an den Täter. Spannung erzeugt die Produktion des Fernsehens der DDR (PL Hans-Jörg Gläser) von Martin Schlesinger (Buch, Kamera) und Gerald Hujer (Buch, Regie) nach einem Szenarium von Thomas Steinke mit der kleinteiligen Aufklärungsarbeit der Kriminalisten einschließlich der Aufstellung eines psychologischen Täterprofils nicht wirklich. Freilich gibt der drei Jahre vor der Wende gedrehte Film dem Publikum einen seltenen Einblick in die technische Ausrüstung der staatlichen Überwachungsorgane mit Bildern aus Rechenzentren, deren schon damals völlig überholte technische Ausrüstung heute unfreiwillig komisch erscheint.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.01.1988, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Ihr faßt mich nie!

Fassungen

Original

Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.01.1988, DDR-TV