Das Ende des Schweigens

Deutschland 2015-2020 Dokumentarfilm mit Spielhandlung

Inhalt

Dokudrama über die Frankfurter Homosexuellen-Prozesse 1950/51. Sie waren der Höhepunkt einer in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland stattfindenden Verfolgungswelle gegen Schwule – unterstützt und vorangetrieben von Juristen, die bereits unter den Nazis tätig waren. Ausgangspunkt der Prozesse waren die Informationen des 17-jährigen Strichjungen Otto Blankenstein. Als er im Sommer 1950 von der Frankfurter Polizei verhaftet wurde, versuchte er, sich selbst zu retten, indem er seine Kunden denunzierte. In den folgenden Monaten wurde gegen mehr als 200 homosexuelle und bisexuelle Männer ermittelt, rund 100 wurden verhaftet – Männer aus allen Gesellschaftsschichten, deren gesamte Existenz damit vor dem Ruin stand. Sechs Verfolgte begingen Suizid. Blankenstein selbst wurde trotz seiner umfassenden Kooperation angeklagt und verurteilt.

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Liebe ist kein Verbrechen“: Die Schwulen-Ampel springt von Rot auf Grün, als sich die CSD-Parade den Weg durch die Frankfurter City bahnt. Mit dabei ein Krankenpfleger der Uniklinik, der über sein Outing in den 1980er Jahren spricht. Die Bankerstadt präsentiert sich als bunte, fröhliche, ausgelassen feiernde Mainmetropole.

Rückblende mit einer Spielszene. Als der 17-jährige Strichjunge Otto Blankenstein im Sommer 1950 von der Polizei in Frankfurt am Main aufgegriffen wird, findet diese bei ihm ein Notizbuch mit den Namen seiner Kunden. Ein gefundenes Fressen für den Staatsanwalt Fritz Thiede und den Obergerichtsrat Kurt Ronimi, die schon im „Dritten Reich“ Jagd auf Schwule gemacht hatten. Zusammen mit dem Oberstaatsanwalt Hans-Krafft Kosterlitz (Uwe Friedt) überreden sie Blankenstein, den Kronzeugen zu geben: In den darauffolgenden zehn Monaten wird gegen mehr als 200 homosexuelle und bisexuelle Männer ermittelt, rund einhundert quer durch alle Schichten, vom Arbeiter bis zum Arzt, werden verhaftet. Blankenstein entfacht mit den Frankfurter Homosexuellenprozessen 1950/1951 eine der größten Verfolgungen einer Minderheit in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Und das mit ausdrücklicher Billigung des hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (SPD), wie die befragten Historiker Christian Setzepfand und Gottfried Lorenz, selbst ein Opfer des Paragraphen 175, bekunden. Die Prozesse waren eine vor allem von Fritz Thiede initiierte gezielte Aktion von Juristen, die nach 1945 ungebrochen im Amt bleiben konnten, obwohl sie, zumindest in den Spielszenen, weiterhin der NS-Ideologie anhingen. Und: alle Verhaftungen beruhten auf geltendem Recht. 1935 hatte der NS-Staat das aus dem Kaiserreich stammende Gesetz verschärft: Allein der Verdacht einer sexuellen Orientierung genügte auch ohne den Tatbestand der Verführung Minderjähriger. In der restaurativen Adenauer-Republik wurde der Paragraph 175a beibehalten, der Jugendliche bis zur Volljährigkeit mit damals 21 Jahren schützen sollte. Dabei war für die kriegsbedingt entwurzelten, häufig eltern- und mittellosen Heranwachsenden wie Otto Blankenstein die Prostitution die einzige Möglichkeit, schnell Geld zu verdienen.

Ein Zeitzeuge, der 97-jährige Wolfgang Lauinger, gehörte zu den Opfern Blankensteins. Er hatte bereits 1941 sieben Monate im NS-Gefängnis gesessen, konnte danach untertauchen – und musste 1951 eine achtmonatige Untersuchungshaft hinnehmen. Ohne Entschädigung starb er noch vor der Uraufführung des Films in völliger Verarmung. „Das Ende des Schweigens“, nach dem Kurzfilm „Equality“ (2016) das Langfilmdebüt des 1980 in Rheine geborenen Regisseurs van-Tien Hoang, ist eine Mischung aus Interviews und Spielszenen, die das damalige, aus heutiger Sicht unfassbar skandalöse Geschehen nachstellt. Jeder Verhaftung folgte ein Eintrag ins Führungszeugnis, in den 1950er Jahren bedeutend für die Wohnungssuche wie für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst. Nicht zuletzt hat es aufgrund von Denunziationen Berufsverbote und die Aberkennung von Doktortiteln gegeben – mit weitreichenden Folgen bis zu späteren Rentenansprüchen.

Neben den Verhör- und Gerichtsszenen (Nicole Goebel als Gerichtsschreiberin, Christian Larfeld und Stefan Vogel als Richtergehilfen) beleuchten einige Schlaglichter den Alltag der Nachkriegszeit. Sowohl in der Subkultur des Frankfurter Bahnhofsviertels (u.a. mit Christoph Stein als Freund und Marco Linguri als einstiger Schulkamerad Blankensteins sowie Bernd Lottermann als Heinz Möller alias Gräfin von Himmelsblau) als auch im Repressionsapparat des Staates (Joshua Thuir als Polizei-Hauptkommissar Albert Kalk, der rasch zum Schlagstock greift). Pierre Siart schließlich verkörpert mit Heinrich einen Rechtsanwalt, der die Angeklagten vertritt.

Der Regisseur van-Tien Hoang im GM films-Presseheft: „Die Produktionsbedingungen waren eine Herausforderung. Einen Großteil der Kosten habe ich selbst getragen. Unterstützung bekam ich von der Hessische Filmförderung und einer Handvoll Vereine und Stiftungen. Ansonsten habe ich meistens Absagen von den Förderinstitutionen und TV-Sendern erhalten. Eine Redakteurin hatte mir sogar nahegelegt, eine Dokumentation über die Heimat meiner Eltern zu drehen. ‚Vietnam habe schließlich schöne Reisfelder‘. Das tat schon weh.“

Pitt Herrmann

Credits

Kamera

Schnitt

Darsteller

Produktionsfirma

Produzent

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 2015 - 2019: Frankfurt am Main, Offenbach, Hamburg und Bonn
Länge:
79 min
Format:
DCP, 1:1,78
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 29.11.2021, 200780, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 24.10.2020, Weiterstadt, Queer Filmfest;
Kinostart (DE): 02.12.2021

Titel

  • Originaltitel (DE) Das Ende des Schweigens
  • Weiterer Titel (eng) The End of Silence
  • Untertitel Ein Film über die Frankfurter Homosexuellenprozesse 1950-51

Fassungen

Original

Länge:
79 min
Format:
DCP, 1:1,78
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 29.11.2021, 200780, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 24.10.2020, Weiterstadt, Queer Filmfest;
Kinostart (DE): 02.12.2021

Auszeichnungen

Queer Filmfest Weiterstadt 2020
  • Publikumspreis, Langfilm