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Kim hält es nicht mehr aus. Frustriert von Problemen in der Schule und Ärger mit ihrer Mutter macht sie sich zu Fuß auf den Weg zu ihrem Vater. Doch gut vorbereitet ist sie für diese lange Wanderung nicht, weshalb sie sich bald nicht nur mit ihren Gedanken, sondern auch mit allerlei kleinen und großen Hindernissen konfrontiert sieht. Der Film "Brennnesselbad" wurde als Gemeinschaftsarbeit dreier Student*innen der Filmhochschule Darmstadt entwickelt. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie übernahm das dreiköpfige Team sämtliche Arbeiten an dem Film selbst. Das Drehbuch entstand – ganz in Analogie zu Kims wandernder Suche – während der Dreharbeiten.
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Die 18-Jährige schreitet durch Wiesen, durchquert Bachläufe und mittels Floß sogar einen Fluss. Und sieht immer aus wie aus dem Ei gepellt! Kim lässt ihr Handy in einer irgendwo im Wald unter einem Baum gefundenen Geocaching-Box zurück, entnimmt dieser dafür ein französischsprachiges Navigationsgerät. Einmal kann sie sich auf einer Bank zur Ruhe legen, ein anderes Mal muss sie sich vor Regen in eine Felsspalte zurückziehen. Die Vorräte in ihrem Rucksack gehen zur Neige: In einem Supermarkt mit einer bereits zum Abiball aufgebrezelten Kassiererin deckt sich Kim mit jeder Menge Suppentüten und Fertiggerichten in Dosen ein.
Kim, die sich in ihren Träumen an ihrer Mutter abarbeitet, trifft auf den Straßenjungen Maxim, der ebenfalls vor Problemen daheim geflüchtet ist, und kann sich mit der auf dem Trail „Leichtgepäck“ befindlichen erfahrenen Wanderin Dada austauschen, nachdem sie entnervt in einem Hotel gelandet war, wo ihr die freundliche Barkeeperin Leska (Yasmin Slama) etwas zu trinken gab und sie ihre Klamotten waschen konnte.
Allerlei kleine (scheiternder Zeltaufbau) und größere Hindernisse (das Outdoor-GPS-Navi funktioniert nicht wirklich) können sie nicht von ihrem Plan abbringen, der Suche nach Abstand, nach Antworten und vielleicht nach einem neuen Anfang mit ihrem Vater. Der in einem Wohnwagen-Dino am idyllischen Arendsee in der Uckermark lebt und sie nicht gerade mit offenen Armen empfängt. Doch Kim kann nicht mehr zurück, nur nach vorne. Bis sie endlich an dem einen Ort ankommt, an dem sie noch sein kann…
Der No-Budget-Film „Brennnesselbad“, den die inzwischen in Leipzig ansässige Crowdfunding-Agentur KulturMut Rhein-Main ermöglichte, wurde als Gemeinschaftsarbeit dreier Motion Pictures-Studenten der Filmhochschule Darmstadt entwickelt. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie 2021/22, die Einschränkungen für Projekte im Studium bis hin zu kompletten Drehstopps nach sich zog, übernahm das Team aus Janina Lutter, Paul Galli und Fabienne Schweers sämtliche Arbeiten. Das Drehbuch entstand – ganz in Analogie zu Kims wandernder Suche – während der Dreharbeiten jeweils an den Wochenenden von April bis November 2021 in Hessen und Brandenburg.
So entwickelte sich die in ein wunderbar anarchisches Finale mündende Handlung des ersten Langfilms des Trios erst über den Drehzeitraum hinweg, „entlang unserer Möglichkeiten, unseres Lebensgefühls und den Orten, die wir in diesem Sommer entdeckten“, so Janina Lutter im Pressematerial zum 15. Lichter Filmfest in Frankfurt/Main, wo „Brennnesselbad“ uraufgeführt wurde. Es dauerte danach lange, bis für den Gewinner des 14. Vittorio Veneto Kinderfilm-Festivals 2024 (Italien) ein kleiner Bonner Verleih gefunden wurde für den Start in wenigen Arthaus-Kinos.
Die recht ausschweifende, bisweilen abseitige, letztlich aber typisch deutsche Befindlichkeits-Mischung aus Familienfilm, Coming-of-Age-Story und abenteuerlichem Roadmovie bleibt der Kammerspiel-Ästhetik verhaftet und ist eher etwas fürs TV-Nachtprogramm als für die große Kinoleinwand. Der Filmtitel rekurriert auf eine Mutprobe ihres Vaters, die Kim nun allein für sich wiederholt. Und das nicht aus nostalgischen Gefühlen heraus: Sie war zwölf, als ihr Vater die Familie verließ. Ein Alt-1968er auf spätem Selbstverwirklichungs-Trip. Der seiner Tochter heute weder eine Orientierung bieten noch eine Zukunftsperspektive eröffnen kann. Beim Vater kann sie nicht bleiben, aber zur Mutter will sie auch nicht zurück…
Pitt Herrmann