Die Nibelungen. 1. Teil: Siegfried

Deutschland 1922-1924 Spielfilm

Die Nibelungen, 1. Teil


Herbert Ihering, Berliner Börsen-Courier, 15.2.1924


Nach der verfilmten Ilias das verfilmte Nibelungenlied. Wenn aber Manfred Noa für Paris und Helena nur die bereitstehende Form des Massen- und Großfilmes fand, so versuchte Fritz Lang für Siegfried und Kriemhild eine eigene Form zu finden. Er suchte einen bindenden Stil, einen teils malerischen, teils architektonischen, einen feierlichen, gemessenen Legendenstil und fand - den Jugendstil. Wenn man also den Versuch Fritz Langs weit über den Troja-Film gestellt, wenn man vorausgenommen hat, daß seine Idee des gesammelten und geordneten Bildes, daß sein Gedanke, auch die Naturbilder in streng geschlossene, also gebaute Wald- und Landschaftsszenerie zu stellen, gut war, so muß man sagen, daß die Art der Bilder filmisch verfehlt ist, daß der richtige Weg zu einem falschen Ziel geführt hat. (...)

So ist der erste Teil des "Nibelungen"-Filmes zwischen Geschmäcklertum und Publikumswirkung steckengeblieben. Was Volksfilm werden sollte, wurde eklektischer Ästhetenfilm. Der Bruch beginnt immer dort, wo aus den repräsentativen Einzügen, Gruppen und Einzelaufnahmen die filmdramatische Bewegung entwickelt werden soll. Hier versagt die Regie. Weil die Schauspieler versagen? Ich glaube vielmehr: Weil Lang ein rein malerischer Regisseur ist, wählte er die Besetzung allein nach bildordnerischen Gesichtspunkten. Er merkte die Schwäche der Darsteller nicht - wenn sie sich nur in seine akademische Stilisierung fügten. (Das mittelmäßige Schauspielermaterial ist eine Schwäche fast aller seiner Filme.) Wo in den Nibelungen Bewegung ist, da ist es allein Bewegung durch technische Überraschungen. (Der Drachen, Siegfried unter der Tarnkappe, der Speerwurf Hagens.) Daß aber technische Tricks erst durch den Darsteller bestätigt werden müssen, das weiß Lang nicht. Wenn Siegfried vom Speer sichtbar durchbohrt wird, so verlangt das einen Darsteller, der mit angespanntester körperlicher Ausdruckskraft Verwundung und Sterben darstellen kann. Nun sehe man aber Harry Liedtke – ich meine: Paul Richter, wie matt er sich windet, wie ausdruckslos er taumelt. Dieser Film, der auf das Menschliche gestellt sein will, ist im Menschlichen, also im Schauspielerischen, so schlecht wie wenige. (...)

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