K 13 513. Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines

Deutschland 1926 Spielfilm

Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines


–g., Film-Kurier, Nr. 254, 29.10.1926


Eine gute Idee, die Erlebnisse einer Banknote als Grundlage eines Films zu benutzen. Der Autor kann da mitten hineingreifen in den grauen Alltag, in das Leben, wie es wirklich ist, unendlich bunter und mannigfaltiger als der abwechslungsreichste Roman.

Béla Balázs hat diese Buntheit in seinem Manuskript erreicht. Er bringt eine Fülle von Einzelschicksalen, von heiteren und ernsten, banalen und tiefen Erlebnissen. Er hat den Blick für kurze Episoden, die packen und nachdenklich stimmen.

Der Stoff war auf zweierlei Art anzupacken. Der eine Weg war, eine Revue zu schaffen, einen Wirbel von Situationen und Momentaufnahmen, nur zusammengehalten durch die Banknote.

Die andere Möglichkeit war, diese Banknote zum Schicksal eines engbegrenzten Personenkreises werden zu lassen, sie in den Mittelpunkt einer, vielleicht sehr interessanten, Filmhandlung zu stellen.

Béla Balázs versucht beides zu gleicher Zeit. Er bringt die Erlebnisse eines jungen Mädchens, das von der Ungunst des Schicksals hin- und hergeworfen wird und nebenher noch den Weg der Banknote.

Er konnte sich also nicht darauf beschränken, durch die kursierende Banknote das Leben so zu geben, wie es nun einmal ist, sondern er musste aus ihren Erlebnissen eine Filmhandlung gewinnen.

Daher mag es kommen, daß die Höhepunkte der Handlung etwas konstruiert erscheinen. Ein Taugenichts begeht einen Mord um zehn Mark. Ein Mädchen aus der Großstadt folgt einem wildfremden Mann zu seiner "Freundin“, übernachtet bei ihr, soupiert, immer noch nichtsahnend, mit ihm, trinkt sich einen Schwips an – und ist dann entrüstet, als er die Konsequenzen aus ihrem Verhalten ziehen will.

Diese Schwächen des Manuskriptes werden aber durch die virtuose Regie-Arbeit Berthold Viertels reichlich wettgemacht. Es ist eine Freude, ihm zuzuschauen, mit welcher Liebe und Hingabe er an der kleinsten Szene gearbeitet hat. Wie er aus jedem Komparsen das letzte herausholt, wie er auf jedes Requisit achtet und es zur Skizzierung der Stimmung benutzt. (...)

Dieser Film weist in vieler Hinsicht neue Wege. Viertel zeigt, welche Fülle des Wunderbaren und Interessanten die Verfilmung des Alltages bietet, wie man in jede Szene künstlerisches Wollen und Können hineinlegen kann. Er zeigte weiter, daß es nicht immer monumentaler Stoffe bedarf, um Filmkunst zu zeigen, sondern daß auch ein Manuskript, das seine literarischen Ambitionen hat, als Grundlage eines künstlerischen Films dienen kann. Das ist ja gerade die Tragödie des deutschen Durchschnittsfilms, daß seine Schöpfer uninteressiert und unlustig maschinenmäßig ihr Pensum herunterdrehen und behaupten, ihr Genie werde sich erst bei Metropolis-Stoffen beweisen.

Imogen Robertson spielt die Hauptrolle. Sie hat bei Viertel keine Gelegenheit zu niedlichen Posen, sie gibt schlicht und eindringlich ein Mädel von heute, das sich sein Brot verdienen muß. Daß man manche ihrer Handlungen nicht begreift, liegt am Manuskript. (...)

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